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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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duschen und mir diesen Gefängnisgeruch abwaschen.«
    »Das könnten wir doch gemeinsam …«
    »Was?«
    »Duschen.«
    »Vince, jetzt spielen deine Hormone wieder verrückt.« Die Leoni warf ihm einen schiefen Blick zu, aber sie hatte zu gute Laune, um ernsthaft wütend zu werden. Vor ihnen lag zu viel gemeinsame Knochenarbeit, da wollte sie seine unbeholfenen Verführungsversuche lieber mit einem Lachen abtun.
    »Was den Pfarrer angeht, Vince, etwas in der Geschichte überzeugt mich überhaupt nicht. Wer hat ihn gezwungen, sich selbst eines so gemeinen Verbrechens zu beschuldigen? Dieser kleine Scherz hat uns ziemlich aus der Spur geworfen. Und wir haben eine Menge Zeit verloren. Hätte der Erzbischof sich nicht die Mühe gemacht, uns diesen Brief ins Polizeipräsidium zu bringen …«
    »Leo’, dieser arme Pfarrer muss massiv erpresst worden sein. Ich denke, dass dahinter ein logischer Plan steckt. Jetzt lesen wir uns noch mal seine Aussage nach dem Eingreifen des Erzbischofs durch. Da gibt es ein Detail, das vorher sinnlos erschien, aber nach unserem jetzigen Wissensstand eine Spur eröffnen könnte, wenn … verdammt, dieser Verkehr! Vielleicht stelle ich doch die Sirene an …«
    »Welche Sirene?«
    Ispettore Marino resignierte lächelnd und wusste, dass er nun Ampel für Ampel im Stau zurücklegen würde.
    Alle bastioni bis zur Piazza della Repubblica in einem Zivilfahrzeug zurückzulegen erforderte mehr Geduld als das Verhör eines unwilligen Zeugen, denn mitten im Stau präsentierte sich die Stadt immer von ihrer schlechtesten Seite.
    Verschlossen, stur, egoistisch, so waren die Autofahrer in Mailand: Man musste nur mal zu lange an einer Ampel stehen bleiben, und sofort erhob sich ein wütendes Hupkonzert. Und wenn es etwas länger dauerte, weil einem der Motor abgesoffen war oder man den Gang nicht gleich einlegen konnte, dann hagelte es Beschimpfungen. Für alle galt immer und überall: Es gibt kein Pardon!
    Marino mochte Mailand überhaupt nicht, das fing schon bei diesem kalten, harten Namen an, der überhaupt nicht harmonisch klang, so wie etwa Neapel: eine klangvolle Kombination aus Vokalen und Konsonanten, oder wie Palermo, das so weich und sanft nach dem Süden klang …
    In seine Gedanken versunken, war er in die Via Fatebenefratelli eingebogen und konzentrierte sich nun darauf, einen Parkplatz zu finden. Dann verließen er und die Leoni den Wagen.
    »Zu dir oder zu mir?«, fragte er sie lächelnd und wollte damit die Anzüglichkeit seiner Bemerkung unterstreichen, die ihr allerdings entging.
    »Zu dir. Du hast doch die komplette Akte, oder?«
    »Gut, dann also in fünf Minuten in meinem Büro.«
    Als die Leoni mit zwei Tassen Espresso und einer Handvoll Schokoladenriegel aus dem Automaten dort erschien, lag die Akte schon auf Marinos Schreibtisch parat.
    Marino öffnete sie und fand den dünnen Packen Papier mit Don Mario Sperolis erster Aussage, in der er sich selbst beschuldigt hatte, die Kopie seines Briefes, den der Bischof ihnen gebracht hatte, dessen freiwillige Aussage und die Abschrift der Erklärungen des Pfarrers nach dem Einschreiten Seiner Eminenz.
    In zweifacher Ausfertigung.
    Marino und die Leoni saßen einander gegenüber und versuchten die Dokumente in der chronologischen Reihenfolge durchzusehen, in der sie zu den Akten genommen worden waren.
    Sie begannen mit der Aussage des Pfarrers.
    Don Speroli gestand darin, er hätte die beiden Kinder entführt, und behauptete, das Mädchen hätte ihn sexuell angezogen. Doch unter ihren drängenden Fragen hatte er sich in deutliche Widersprüche verwickelt, irrte sich in Bezug auf Zeiten, und seine Aussage wurde außerdem vom Autopsiebericht des Jungen widerlegt. Das einzige überzeugende Detail, das zu seiner Verhaftung geführt hatte, war die Beschreibung eines anatomischen Kennzeichens, das die Mutter ihnen bestätigt hatte: ein sternförmiges Muttermal kurz unterhalb der linken Leiste. Darüber hatten die Medien nie berichtet.
    Danach lasen sie sich Don Marios Brief an Seine Eminenz durch, der dem Poststempel zufolge einen Tag vor der Aussage eingeworfen worden war.
    Darin stand, der Erzbischof solle nicht darauf hören, was in den Medien veröffentlicht würde. Eigentlich strafte er sich selbst im Voraus Lügen, indem er erklärte, er sei durch starken, unüberwindlichen Druck von außen dazu gezwungen gewesen, sich selbst schändlicher Praktiken zu beschuldigen, die ihm vollkommen fremd wären. Außerdem bat er dafür um Verzeihung,

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