Denn dein ist die Schuld
etwas hinzuzufügen, Dottor Salvini?«
»Nur eins«, der ermittelnde Staatsanwalt räusperte sich. »Ich habe eine Anfrage an die Steuerpolizei weitergeleitet, gründliche Nachforschungen bezüglich der Vermögensverhältnisse der Simonellas und der Firma anzustellen, bei der der Ingegnere eine Führungsposition bekleidet. Telekommunikation, eine äußerst … ähm … sensible Branche, würde ich sagen. Und natürlich Nachforschungen über die privaten Verhältnisse des Ehepaars Simonella.«
»Gut. Dottoressa Scauri?«
»Wie Sie ganz richtig bemerkt haben, Dottore, leben die Della Setas und die Simonellas in diametral entgegengesetzten Verhältnissen. Einerseits mittleres bis gehobenes Bürgertum, Unterschicht auf der anderen Seite. Bei den Della Setas würde ich zunächst die Spur in der Familie verfolgen. Es ist uns bekannt, dass Annamaria Donadio, die Mutter der beiden Minderjährigen, mit einem mehrfach nach Artikel dreiundsiebzig, Paragraph fünf, wegen Besitzes und Verkaufs von Betäubungsmitteln sowie wegen versuchten Raubes nach Artikel sechsundfünfzig, einhundertzehn und sechshundertachtundzwanzig, Paragraph eins und drei, mehrfach Vorbestraften zusammenlebt. Dazu kommen Körperverletzung nach Artikel fünfhundertzweiundachtzig und häusliche Gewalt nach Artikel sechshundertzehn.«
Zu Martinos großer Belustigung führte die Staatsanwältin jeden einzelnen Artikel des Strafgesetzbuches auf, als sei dies ein Examen in Strafrecht und kein Treffen unter Kollegen.
»Giulio Della Volpe ist von seinen Betreuern während des Gefängnisaufenthaltes als labil und cholerisch beschrieben worden und weist außerdem einen starken Hang zur Kriminalität auf, wie bereits der Überwachungsrichter herausgestellt hat. Er könnte die Geschäfte eines Mitglieds der organisierten Kriminalität gestört haben. Oder eine große Schuld bei Drogendealern oder Wucherern eingegangen sein, die er nicht mehr einlösen konnte. Und die Kinder, die unter der Überwachung des Jugendamtes standen, könnten der Familie als eine Form von indirekter Rache entzogen worden sein oder um sie einzuschüchtern.«
Colonnello Sereni meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Haben Sie sich schon eine Meinung gebildet, Dottoressa?«
»Nein, noch nicht. Und Sie, Dottore?«
»Es ist noch zu früh, um etwas zu sagen. Giulio Della Volpe scheint beim Verschwinden der Kinder nicht infrage zu kommen, da er für die Zeit, zu der die Kinder zum letzten Mal gesehen wurden, über ein Alibi verfügt: Er hat in einer Autowerkstatt in Pieve Emanuele gearbeitet. Das haben der Eigentümer der Werkstatt, Mauro Dinuccio, sein Lehrling und die Angestellte bestätigt. Namen, Adressen und Telefonnummern finden Sie alle im Bericht.«
Tenente Colonnello Sereni trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Papierstapel vor ihm, holte kurz Atem und fuhr fort.
»Er hat die Werkstatt gerade rechtzeitig verlassen, um für die Unterschrift zu uns zu kommen. Wir hoffen natürlich trotz allem, die Kinder doch noch lebend zu finden, aber in Anbetracht ihres Alters würde niemand auch nur einen Cent auf die Vermutung wetten, sie seien freiwillig von zu Hause weggelaufen. Auch ich würde die Spur zur Familie nicht vernachlässigen. Aber ich sehe sie unter einem etwas anderen Blickwinkel …«
»Und zwar?«
»Die Eltern könnten sie verkauft haben.«
»Hmm, für eine Adoption sind die Kinder zu alt …«, Leoni, die nie eine Gelegenheit zum Widerspruch ausließ, begleitete die Worte, die ihr entschlüpft waren, mit einer ungeduldigen Handbewegung. Doch Sereni ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Adoption? Wer hat hier etwas von Adoption gesagt?«, fragte er kühl.
Marino lief es eiskalt den Rücken herunter.
»Jetzt zurück zum Fall Simonella. Ispettore Marino, soweit ich das aus meinen Unterlagen ersehe, waren Sie und Ispettrice Leoni für die Befragung von Nelea Eminescu zuständig«, sagte der ermittelnde Staatsanwalt Salvini gerade. »Diese Frau war Augenzeugin eines Verbrechens. Vielleicht auch Komplizin bei einer Entführung. Können Sie uns bitte erklären, warum Sie sie nicht länger auf dem Revier festgehalten haben?« Der Staatsanwalt wirkte, als käme er gern direkt zur Sache. Vincenzo Marino versuchte erst gar keine Ausflüchte und kam gleich auf den Punkt.
»Weil Sie, Dottore, keine diesbezügliche Anweisung erteilt hatten. Wir hatten keinen Grund, sie länger festzuhalten.«
»Sie hätten sie aber überwachen können. In jedem Fall war diese junge Frau in
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