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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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mir leid, Walter, aber das ist dringend …«
    »Klar, keine Frage«, sagte er. »Wir hören uns später. Wir haben viel zu besprechen.«
    Bei aller Sorge wegen Iso und dieses ungeklärten »Zwischenfalls« konnte sich Eliza nicht darauf einlassen, das Gespräch sofort zu beenden. »Ja? Haben wir wirklich so viel zu besprechen?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Walter. »Du hast sicher deine Zweifel, aber es wird für uns beide gut sein, Elizabeth. Ich will wirklich nur dein Bestes, das musst du mir glauben. Ich mache das deinetwegen.«
    Sie verabschiedete sich, schnappte sich Handtasche und Schlüssel und ging in die Garage, bevor sie, als hätte sie etwas vergessen, zurück ins Haus lief und sich im Gästebad übergab.

Kapitel 22
    Trudy Tackett stand in ihrem begehbaren Kleiderschrank und sah sorgfältig ihre Sachen durch. Mit diesem jährlichen Ritual verbannte sie die warmen Monate und hieß die kalten willkommen, indem sie ordnete, faltete und, wo nötig, flickte. Und ausmusterte. Wo nötig. Beim Aussortieren machte sie nicht viel Federlesen. Das konnte sie sich auch nicht erlauben. Abgesehen von ihren vielen Schwangerschaften trug Trudy seit ihrem Hochzeitstag vor vierundvierzig Jahren dieselbe Größe, und Kleidungsstücke sammelten sich gern an. Jedes Jahr im April kehrte sie den Vorgang um, aber das verschaffte ihr nicht die gleiche Genugtuung. Es gefiel ihr, wenn die kälteren, kürzeren Tage anbrachen, die schneller zu vergehen schienen als die im Sommer. Ein Junitag verlangte einem viel ab. Enthusiasmus, Fröhlichkeit. Ohne Zweifel gab es Winterdepressionen, aber konnte man nicht auch unter einem Übermaß von Sonnenlicht leiden? Trudy war froh, dass in ihren Kleiderschrank kein natürliches Licht drang, auch wenn sie dadurch vereinzelte Fettflecken übersah oder sich Marineblau als Schwarz tarnen konnte.
    »Aus dieser Nische könnte man wunderbar eine Ankleidekammer machen«, hatte die Maklerin vor beinahe zwei Jahrzehnten Trudy zugesäuselt, aber Terry war derjenige gewesen, der den Vorschlag aufgegriffen und eine Firma mit dem Umbau beauftragt hatte. Die meisten Frauen hätten sie um so viel Aufmerksamkeit von ihrem Mann beneidet, und Trudy war auf zerstreute, geistesabwesende Art durchaus dankbar. Sie wusste noch, wie irritiert sie gewesen war, als der Dekorateur eine kleine Polsterbank mit Samt und Zierknöpfen dazugestellt hatte. Trudy mochte Kleidung – was offensichtlich war, wenn jemand so viel kaufte –, aber herrje, sie wollte sich doch nicht in ihren Kleiderschrank setzen und mit den Sachen reden. Und warum sonst sollte man eine Bank dorthin stellen, selbst eine so kleine, ausgeklügelte mit Stauraum unter dem faden, beigefarbenen Sitz, rund und blass wie ein Pilz oder wie der Schemel von Miss Muffet aus dem Kinderreim?
    ( Was ist ein Schemel ?, hatte Holly mit fünf Jahren gefragt und von der alten Ausgabe von Mother Goose aufgeblickt, die Trudy gehört hatte. Ein Hocker. Was ist ein Hocker? Ein Schemel. Holly hatte gelacht. Sie hatte als einziger Mensch diese Seite an Trudy gesehen, diese mädchenhafte Albernheit, die in der rauen, testosterondurchtränkten Tackett-Familie keinen Platz fand. Bei Terry und den Jungs fielen Späße genauso aus wie ihre Spiele – schnell, grob, laut, treffsicher. Bis Holly kam, war Trudy immer die Ernste, die Matrone. Und als es Holly nicht mehr gab – nun, da war ihr nicht mehr nach Späßen.)
    Aber mittlerweile brauchte Trudy manchmal die Bank, den Hocker, den Schemel, um Hosen, Strümpfe oder Schuhe anzuziehen, in die sie früher lässig wie ein Kranich auf einem Bein stehend geschlüpft war. Ihr Gleichgewichtssinn ließ zu wünschen übrig, und ihr Kreuz gab oft bei der kleinsten Anstrengung nach. Ich baue ab , erzählte sie Terry gut gelaunt. Sie stellte sich lauter kleine Klebezettel auf ihrem Körper vor, die den Verfall an den einzelnen Stellen markierten – das knirschende Knie, die knackende Hüfte, die steifen Schultern. Im Geist fügte sie die Zettel zu einem Anzug zusammen, dessen scharfe gelbe Ecken im Wind flatterten, gleichzeitig steif und schmiegsam. Ein solcher Anzug würde ihr gefallen, dachte sie, er würde der Welt ihre Grenzen zeigen.
    Sie sammelte die pastellfarbene Kleidung für Frühling und Sommer zusammen, packte sie in Kleidersäcke aus Plastik und schob sie nach hinten, um die dunkleren, gedeckten Sachen für Herbst und Winter vorzuholen. Bei einem moosgrünen Hosenanzug, an dem noch das Preisschild hing, bürstete sie den

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