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Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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noch die Anwälte und Gregg Aldrich daran, dass sie sich innerhalb von zehn Minuten im Gerichtssaal einfinden müssten, falls es eine Nachfrage vonseiten der Geschworenen gebe oder diese zu einem Urteil gelangt seien. »Die Sitzung ist unterbrochen«,
schloss er, indem er mit seinem Hammer leicht auf die Richterbank klopfte.
    Die verbliebenen Zuschauer verließen nacheinander den Saal. Emily wartete ab, bis die Moores, Gregg Aldrich und Katie ebenfalls gegangen waren. Dann stand auch sie auf. Draußen auf dem Gang spürte sie, wie jemand sie am Ärmel zupfte, und drehte sich um. Es war Natalies Mutter, Alice Mills. Sie war allein.
    »Mrs Wallace, könnte ich Sie kurz sprechen?«
    »Aber natürlich.« Emily empfand großes Mitgefühl für die alte Dame, als sie deren rot geränderte Augen sah. Sie hat viel geweint in letzter Zeit, dachte sie. Wie schrecklich muss es für sie gewesen sein, Tag für Tag hier zu sitzen und sich das alles anhören zu müssen. »Wollen wir in mein Büro gehen und eine Tasse Tee trinken?«, schlug sie vor.
    Der Aufzug war ziemlich voll. Emily fing die interessierten Blicke der Umstehenden auf, als sie Natalies Mutter erkannten.
    Als sie ihr Büro betraten, sagte Emily: »Mrs Mills, ich weiß, dass das alles eine Tortur für Sie gewesen sein muss. Ich bin sehr froh, dass wir nun fast am Ende angekommen sind.«
    »Mrs Wallace …«, begann Alice Mills.
    »Bitte nennen Sie mich doch einfach Emily, Mrs Mills«, sagte Emily lächelnd. »Ich dachte, darauf hätten wir uns schon verständigt.«
    »Nun gut«, entgegnete Alice Mills. »Also Emily. Und ich hatte Sie gebeten, mich Alice zu nennen.« Die Lippen der alten Dame zitterten.
    »Warten Sie, ich werde zuerst den Tee holen«, sagte Emily. »Wie trinken Sie ihn?«
    Als sie ein paar Minuten später zurückkehrte, schien Alice
Mills gefasst. Mit einem gemurmelten Dankeschön nahm sie die Tasse entgegen.
    »Emily, ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll. Ich weiß, dass Sie sehr hart gearbeitet haben, und ich weiß, dass Sie Gerechtigkeit für Natalie wollen. Und das will ich wahrhaftig auch. Ich weiß auch, dass Gregg gestern einen sehr schlechten Eindruck bei den meisten Leute hinterlassen hat, als Sie ihn ins Kreuzverhör genommen haben. Aber ich habe ihn ganz anders gesehen.«
    Emily schnürte sich die Kehle zu. Sie hatte geglaubt, Alice Mills wäre gekommen, um ihr zu sagen, wie sehr sie Emilys Bemühungen um eine Verurteilung Greggs zu schätzen wisse. Doch darum ging es offensichtlich nicht.
    »Ich habe mich an die vielen Male erinnert, wenn Natalie geprobt und sich furchtbar aufgeregt hat aus Angst, ob auch alles gutgehen würde. Gregg schlich sich dann manchmal in den Saal und schaute zu. Manchmal hat sie es nicht einmal bemerkt, weil er sie nicht unterbrechen oder ihre Konzentration stören wollte. Manchmal, wenn sie irgendwo unterwegs war, hat er alles stehen und liegen lassen und ist zu ihr geflogen, weil er wusste, dass sie seinen Zuspruch brauchte. Und als er gestern im Zeugenstand von seinem Verhalten auf Cape Cod gesprochen hat, ist mir klargeworden, dass Gregg nur das getan hat, was er immer getan hat. Er wollte Natalie beschützen.«
    »Aber Alice, ist das, was Sie da erwähnen, nicht unter ganz anderen Umständen geschehen? War das nicht, bevor Natalie sich von ihm getrennt und die Scheidung eingereicht hat?«
    »Gregg hat nie aufgehört, Natalie zu lieben, und er hat nie aufgehört, sie beschützen zu wollen. Der Gregg, den ich gestern im Zeugenstand erlebt habe, ist genau der Gregg,
wie ich ihn immer gekannt habe. Emily, ich habe mir immer wieder und wieder den Kopf darüber zermartert, bis ich fast keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Es ist absolut ausgeschlossen, dass Gregg Natalie etwas angetan haben könnte und sie dann auch noch sterbend zurückgelassen hätte. Davon werde ich bis an mein Lebensende überzeugt sein.«
    »Alice«, sagte Emily sanft. »Ich habe den allergrößten Respekt vor Ihren Gefühlen. Aber lassen Sie mich Ihnen etwas sagen: Wenn eine Tragödie wie diese passiert, und ein Familienmitglied wird verdächtigt, dann fällt es einem unglaublich schwer, zu akzeptieren, dass dieses Familienmitglied schuldig sein könnte. Bei einem Verbrechen wie diesem wäre es beinahe leichter zu ertragen, sofern man das überhaupt sagen kann, wenn es von einem Fremden begangen worden wäre. Wenigstens ist dann die Familie im Leid vereint.«
    »Emily, wie es den Opfern in anderen Fällen ergeht, ist mir

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