Der 13. Brief
Pädagogin?
Jedenfalls schien E. Ahrend irgendetwas zugestoßen zu sein, was ich aus Danners Formulierung zuletzt gesehen am schloss.
Wahrscheinlich war sie von einem neidischen Sitzenbleiber bei einem Amoklauf umgenietet worden. Oder sie war von allen, die auch gern mal Jahrgangsbeste sein wollten, so fies gemobbt worden, dass sie abgehauen war.
Meine Neugier ließ mich weiterlesen. Ich öffnete L 3, um herauszufinden, was mit E. Ahrend, der Streberin, passiert war.
Mittwoch, 12.10.
7.45 Uhr, Teambesprechung:
M. Dittmer (Französisch, Deutsch, Kunst) bestätigt S. Lehnerts Einschätzung von E. Ahrend.
12.25 Uhr, zweite große Pause:
K. Bode nennt die Lehrer verlogene Intriganten, Dittmer einen notgeilen Grapscher und Lehnert eine hässliche Nutte. Bisher gibt es keinerlei Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen und K. Bode neigt zu ausdrucksstarken Metaphern. (Aber da sie den Papst als einen Schwulen im Karnevalskostüm bezeichnet und mich als sadistischen Sklaventreiber, muss die Behauptung unbedingt überprüft werden!)
Ich musste schmunzeln. K. Bode gefiel mir.
Donnerstag, 14.10.
M. Dittmer überprüft: keine Eintragungen in polizeilichem Führungszeugnis, keine Beschwerden, seit er am Ottilie-Baader-Gymnasium unterrichtet (11 Jahre), keine Gerüchte unter den Kollegen.
S. Lehnert überprüft: keine Vorstrafen wg. Prostitution, keine bekannten Affären mit Kollegen etc. (aber vier gescheiterte Ehen in den letzten zehn Jahren).
Bald hatte ich alle L-Dateien gelesen, aber noch immer nicht herausgefunden, wer Danners Auftraggeber war, wie L. mit Nachnamen hieß und was E. Ahrend passiert war. Immerhin wusste ich, und darin schienen sich Lehrer und Schüler ungewöhnlich einig: E. Ahrend führte ein beneidenswertes Leben! Mehr Einser als Zweier im Zeugnis, begabt, fleißig und freundlich, außerdem auffallend hübsch, beliebt und auch noch sportlich. Seit Jahren schwamm sie in der Schulstaffel.
Ihr Vater arbeitete vermutlich als Lehrer am Ottilie-Baader-Gymnasium, schlussfolgerte ich drauflos. Denn es war sicher mehr als ein Zufall, dass der auf unbestimmte Zeit beurlaubte Sportlehrer, den Danner vertrat, den gleichen Nachnamen wie das Mädchen trug.
Allein durch das Lesen von Danners knappen Berichten wurde ich schon neidisch auf E. Ahrend. Wie konnte man ein perfektes Leben führen, hübsch, schlau und sportlich sein und trotzdem Freunde haben?
Drei gute Freundinnen waren jedenfalls mehr, als ich in meinem ganzen bisherigen Leben gehabt hatte. Aber mein Leben war eben nicht perfekt und ich ging davon aus, dass es das auch nicht mehr werden würde.
Immerhin kannte ich jetzt Danners Problem: Die drei Mädchen, die am meisten über seinen Fall wussten, wollten ihm nichts erzählen.
Und ich hatte herausgefunden, wo er sich gestern herumgetrieben hatte: Nachmittagsunterricht und Schwimmtraining. Solange F. Ahrend außer Dienst war, trainierte Danner Dienstag- und Freitagabend die Schulmannschaft der Jungen, S. Lehnert hatte die Mädchenmannschaft übernommen.
Wie konnte ich mehr über E. Ahrend erfahren?
Versuchsweise tippte ich bei Google Ottilie-Baader-Gymnasium Bochum ein. Und siehe da: Prompt erschien die Titelseite der Schülerzeitung Otti-News auf dem Bildschirm. Die September-Ausgabe.
Auf Seite vier entdeckte ich ein halbseitiges Foto, das einige Mädchen in Badeanzügen auf einem Siegerpodest zeigte. Schneewittchen stand auf Platz drei.
In der Einzelwertung setzte sich Carmen Montag (Otti) durch, las ich unter dem Bild. Sie gewann vor Rika Bergheim (Humboldt-Real). Für unsere Favoritin Eva Ahrend reichte es diesmal nur für den dritten Platz. Anscheinend hat sie mit dem Landesmeistertitel und der deutschen Junioren-Meisterschaft im Juli genug für diese Saison und überlässt den Sieg ihrer Kollegin vom Otti-Baader.
Ich pfiff durch die Zähne.
Deutsche Meisterin.
Nicht schlecht!
Streberin der übelsten Sorte.
In der Mannschaftswertung gewinnt das Team Otti-Baader mit Carmen Montag, Eva Ahrend und Sinja Steilen die Schulmeisterschaft vor der Humboldt-Realschule. Damit haben unsere Mädels einmal mehr bewiesen, dass ihnen beim Schwimmen keiner das Wasser reichen kann. Den Erfolg verdanken sie wie immer vor allem ihrem Trainer Friedrich Ahrend.
Das eingefügte Bild des Trainers war verschwommen. Obwohl ich nicht mal seine Haarfarbe erkennen konnte, hätte ich Danners Bett verwettet, dass der Mann auf dem Foto Eva Ahrends Vater war!
In dem Moment hörte ich Molles Stimme
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