Der 50-50 Killer
auch immer gemacht worden waren, sie konnten es gemeinsam wieder in Ordnung bringen. Sie verlangte doch eigentlich nur, dass er sie nicht noch einmal machte, oder zumindest, dass er sich nicht in eine Lage brachte, wo sie sich vielleicht wiederholen konnten. Ja, sie erinnerte sich sehr gut, wie es manchmal war. Er schien derjenige zu sein, der das Risiko verdrängte, das er einging.
Noch einen Schluck Wein.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er. »Du hörst dich an, als hättest du etwas getrunken.«
»Ja, ich habe etwas getrunken. Und ich trinke immer noch.«
Er schwieg. »Es ist halb drei Uhr morgens.«
»Ich sollte also im Bett liegen?«
»Nein. Ich meine nur, es ist spät, um noch zu trinken.«
»Ist es wohl.«
Eileens Schwester hatte genau das Gleiche gesagt, als sie vorhin telefoniert hatten, kurz vor Mitternacht. Sie sollte ihren Kummer nicht noch so spät in Alkohol ertränken. Warum denn nicht?, hatte Eileen gefragt. Sie hatte es satt, die Verantwortung für alles zu übernehmen, was man tun sollte. John sollte hier bei ihr sein, das war eines dieser Dinge, aber er war nicht da. Warum fiel es immer ihr zu, verantwortungsvoll zu handeln? Sie musste irgendetwas tun, um ruhig zu bleiben.
Um halb drei noch auf, wurde ihr klar. Fast schon eine ganze Flasche Wein weg. Es war wirklich so, als sei sie wieder jung. Jetzt brauchte sie nur noch John neben sich, der dieses Erlebnis mit ihr teilte. »Gehst du bald zu Bett?«, fragte er. »Ich weiß nicht. Wann kommst du nach Hause?«
»Hier ist eine Menge los, ich bin mir nicht sicher. Einer von diesen Fällen, den wir verlieren, wenn wir nicht schnell handeln, und …«
Seine völlig nebulösen Worte ärgerten sie noch mehr.
»Wo bist du?«
»Wo? Im Krankenhaus. Wir vernehmen jemanden. Er wurde verletzt und wird hier behandelt.«
»Ja, ich weiß, wofür ein Krankenhaus da ist. Rutlands, nehme ich an? Bist du dort?«
»Ja, Rutlands.«
Eileen nickte vor sich hin. Rutlands war das Krankenhaus, in das sie ihn gebracht hatte, als er bei Andrew Dysons Begräbnis zusammengebrochen war. Sie verband unglückliche
Erinnerungen mit der Klinik. Sie war die erste Nacht dort geblieben und dann an jedem der vier Tage zu Besuch gekommen, die er bis zu seiner Entlassung dort verbracht hatte. Die langen Korridore der psychiatrischen Abteilung verband sie mit dem Gefühl, dass ihre Welt unwiederbringlich zerstört war.
Flüchtig überlegte sie, wie es wohl für John war, wieder dort zu sein, und neben dem Ärger empfand sie Sorge um ihn. Doch genau so schnell unterdrückte sie sie wieder. Er hatte die Wahl getroffen, dort zu sein. Es betraf auch sie, und er sollte ihr das nicht antun. Darauf lief es hinaus. Eileens Schwester hatte gesagt, sie sei es sich selbst schuldig, sich nicht so viel gefallen zu lassen, und das stimmte. Es war an der Zeit, dass die Balance ihrer gegenseitigen Verpflichtungen wiederhergestellt wurde, und nach allem, was er ihr zugemutet hatte, hätte John das wirklich wissen müssen. Soll ich kommen und dich abholen?, hatte ihre Schwester besorgt gefragt, und Eileen hatte gelächelt, weil sie wusste, dass Debra sofort hier wäre, wenn sie sie darum bäte, egal, wie ungelegen es ihr kam. Nein, danke, hatte sie gesagt. Das ist etwas, das ich selbst auf die Reihe kriegen muss. Damit muss ich mich selbst befassen.
Eileen sagte jetzt bestimmt: »Ich möchte, dass du nach Hause kommst. Zu mir.«
Am anderen Ende folgte ein kurzes Schweigen.
»Das geht im Moment nicht.«
»Aber ich will es.«
Zu schnell und zu schnippisch, sagte sie sich, zu gereizt. Sie strengte sich an, die Fassung zurückzugewinnen, und sagte dann noch einmal: »Ich habe gehört, was du sagst, John, aber ich möchte, dass du das tust. Bitte komm nach Hause.«
»Ich kann nicht. Ich wünschte, ich könnte, aber das hier ist mein Job.«
Fast hätte sie gelacht. »Ein Mann muss eben seinen Mann stehen?«
»Was?«
»Nichts.«
Sie trank einen Schluck Wein und setzte das Glas wieder geräuschvoll ab, als ihr etwas einfiel.
»Sag mal, dabei geht es doch nicht etwa um Andrew?« Im Fenster ihr gegenüber lehnte ihr Spiegelbild sich plötzlich vor. »Oh mein Gott, John. Sag mir, dass du nicht wieder hinter diesem Mann her bist.«
»Nein«, sagte er. »Damit hat es nichts zu tun.«
Machte der Alkohol sie etwa paranoid? Was immer der Grund war, sie war nicht sicher, ob sie ihm glauben konnte.
»Versprich es mir«, sagte sie.
»Ich verspreche es. Wir ermitteln wegen eines Einbruchs. Es
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