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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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Größe und Ausstattung aufwies, um sämtlichen von Livvie gepflegten kulinarischen Weihnachtstraditionen gerecht zu werden – und das wollte etwas heißen, wie sich herausstellte. Auf jeder verfügbaren Fläche stapelten sich die Plätzchen, und es wurden täglich neue gebacken, allerdings nie zweimal die gleichen. Auch waren nie zweimal hintereinander dieselben Weihnachtsbäcker involviert. Eines Abends gab es eine rot-grün eingefärbte, mit Pilzen gefüllte und mit gehackten Nüssen panierte Käsekugel, die selbst Sams laktoseliebenden Gaumen auf eine harte Probe stellte. Zu anderen Mahlzeiten gab es Gumbo-Eintopf, Lasagne oder Venusmuscheln, die sie eigenhändig auf ihren Hundespaziergängen am Strand ausgebuddelt hatten. Stündlich tauchten neue Zwischenmahlzeiten und Dips und Snacks auf, die oft – aber nicht immer – zur Weihnachtszeit passten und oft – aber nicht immer – definierbar waren. Überall standen Schüsseln mit selbst gemachter Knabbermischung herum, die nie leer wurden, weil im Ofen stets und ohne Ausnahme bereits eine neue Ladung wartete. Sam und sein Vater wechselten stumme, erstaunte Blicke. Bisher hatte ihre einzige Weihnachtstradition darin bestanden, an Heiligabend bei einer Tante oder einem Kollegen aus der Uni zu Abend zu essen, sich am Weihnachtsmorgen nach dem Ausschlafen gegenseitig ein Geschenk zu überreichen, im Anschluss Cornflakes oder Haferflocken zu frühstücken und nachmittags ins Kino zu gehen. Als Sam klein war, hatte sich sein Vater größere Mühe gegeben – mehr Geschenke, der Versuch, alles weihnachtlich zu dekorieren, Weihnachtslieder im Radio –, aber je älter Sam wurde, desto weniger Aufwand betrieben sie, und keiner von ihnen vermisste etwas. Es lohnte sich einfach nicht für zwei Personen.
    Aber jetzt war alles anders. Ihrer aller Leben stand vor einer großen Veränderung, das spürte Sam, das wusste er. Die Weihnachtsfeste, die er allein mit seinem Vater verbracht hatte, lagen hinter ihm. Jetzt hatte er diese riesige Familie um sich: Tanten, Onkel, Cousins und Schwiegereltern, dazu Trivial-Pursuit-Marathons, traditionelle Weihnachtsgerichte, die Sam vorher nie angerührt hätte (warum sollte jemand Käse einfärben?), angefangene Puzzles auf fast allen verfügbaren Tischen und Menschen, wohin man auch blickte. So wird es von jetzt an immer sein, dachte er. Familie und Drama und Essen und Liebe und Tradition. Alles war im Umschwung.
    Sie blieben eine Woche, von der jeder Tag ein anderes Motto hatte – offensichtlich ein weiterer skurriler Einfall von Livvie, der Dash und Meredith mit sechs Jahren sicher großen Spaß gemacht hatte, Sams Ansicht nach seinen Zenit aber längst überschritten hatte. Andererseits schienen sich die beiden auch mit vierunddreißig Jahren noch großartig zu amüsieren, was wusste er also schon. »Bei uns haben Traditionen eben eine lange Laufzeit«, rechtfertigte sich Dash schulterzuckend, als er am Weihnachtspyjama-Tag in einer mit Rentieren bedruckten Fleecehose und einem Schlafanzug-Oberteil, von dem ein riesiges (und in Sams Augen Furcht einflößendes) Weihnachtsmann-Gesicht grinste, zum Abendessen erschien. Aber erst am Eierlikör-Tag gerieten sie an ihre Grenzen.
    Der Eierlikör-Tag war genau so, wie er sich anhörte. Wie sich herausstellte, war er außerdem eine Pflichtveranstaltung. Die hervorragend bestückte Hausbar wurde abgeschlossen, und sämtliche Wein- und Biervorräte wurden am Vorabend demonstrativ aufgebraucht. Es gab also entweder Eierlikör oder überhaupt keinen Alkohol. Sam fiel die Entscheidung nicht schwer – in seinen Augen war ein Ausnüchterungstag längst überfällig. Außerdem träumte er nach tagelangem Snack- und Plätzchenkon sum von einem Salat, woraufhin er den Nachmittag damit verbrachte, Gemüse in winzige, appetitliche Würfel zu schneiden. Erst als die Sonne unterging, fiel ihm auf, dass er Meredith seit über einer Stunde nicht mehr gesehen hatte. Auch Dash und die anderen wussten nicht, wo sie steckte. Sam sah in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer nach, auf der Terrasse, im Spielzimmer und in der Bibliothek. Er wanderte am Strand ein Stück in beide Richtungen, aber auch dort war keine Spur von ihr zu entdecken. Im Prinzip konnte sie nicht weit weg sein – eigentlich konnte sie überhaupt nirgendwo sein –, aber eine oberflächliche Suche brachte kein Ergebnis, und nachdem sie noch einmal gründlicher gesucht hatten, fingen sie an, sich Sorgen zu machen.
    Er rief auf ihrem Handy an, aber

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