Der Altman-Code
repariert. Um fast alle ihre Naturerscheinungen ranken sich zahlreiche Legenden; eine ideale Möglichkeit, um die Bevölkerung in ihrer Unwissenheit verharren zu lassen. Wissenschaft, wie wir sie kennen, gibt es hier einfach nicht. Aber es ist trotzdem auch eine wundervolle Art zu leben. Sie scheinen in einer Art Sagenwelt befangen. Ein großer Baum ist ein verwandelter Gott. Ein Regenbogen ist ein Grund zur Freude. Der Himmel ist auf Erden präsent. Aber als sie in Beijing von dieser Rückständigkeit erfuhren, gab es ziemlichen Ärger.«
»Kam Mao nicht auch vom Land und hatte nur eine sehr rudimentäre Grundschulbildung?«, flocht Smith ein.
»Ja, und unter ihm regierten andere Bauern das Land.
Einige waren tatsächlich vollkommen ungebildet. Konnten die Berichte nicht lesen, die eigentlich für sie bestimmt waren. Sie wussten so gut wie nichts über Massenproduktion, Fabriken, Wissenschaft oder selbst Landwirtschaft, wenn es über die Anbaumethoden hinausging, die sie aus ihrer ländlichen Heimat kannten. Fünf Jahre nach Maos Machtübernahme wäre das Land aufgrund der absurden Maßnahmen des Politbüros fast verhungert. Im Lager aßen wir alles, was uns zwischen die Finger kam.
Vögel, Insekten, Gras. Nach einer Weile gab es kein Unkraut und keine Rinde mehr an den Bäumen. Viele von uns starben.« Thayer hob die Schultern. »Aber genug davon. Jetzt, wo das Unmögliche möglich geworden ist, habe ich einen Grund, noch so lang zu leben, bis ich alle Mitglieder meiner Familie kennen gelernt habe, die existieren. Wahrscheinlich werde ich immer anspruchsvoller, aber das ist mir egal. Danach kann ich in Frieden sterben.« Während dieser Unterhaltung hatte Mahmout das Walkie-Talkie eingeschaltet, um mit den Fahrern der zwei anderen Autos in ständigem Kontakt zu bleiben.
Keiner hatte Hinweise darauf bemerkt, dass sie beschattet wurden. Die Anspannung in ihren Stimmen war unüberhörbar, als sie sich über die rauschenden und knackenden Funkgeräte unterhielten.
»Wir haben Nachricht aus dem Lager erhalten«, sagte Mahmout. »Bisher ist ihnen das Fehlen der zwei Wachen noch nicht aufgefallen, und sie haben auch nicht gemerkt, dass Sie beide fehlen. Noch ist das Glück auf unserer Seite.« Er konzentrierte sich wieder auf die Straße. Inzwischen hatte der Konvoi die Berge erreicht.
Nach dieser Neuigkeit ließ die Anspannung in der Limousine etwas nach. Thayer beschrieb das Gebiet um den Baoding Shan, zu dem sie unterwegs waren, und den Schlafenden Buddha, an dem die Übergabe des Ladeverzeichnisses der Empress stattfinden sollte. »Manchmal wird Baoding Shan mit Kostbarer Berggipfel übersetzt, manchmal mit Schatzbergspitze. An seinem Fuß sind der Schlafende Buddha und andere Figuren in den Fels gemeißelt –
ähnlich wie am Mt. Rushmore, nur dass die Figuren auch noch bemalt sind.«
»Ich habe gehört, sie sind tausend Jahre alt«, sagte Chiavelli.
»Fast«, bestätigte Thayer. »Die Figuren um den Schlafenden Buddha reichen ins dreizehnte Jahrhundert zurück. Wer die Anlage geplant hat, muss über einen ausgeprägten Schönheitssinn verfügt haben. Sie folgt dem natürlichen Verlauf der hufeisenförmigen Felswand, die von dichter Vegetation umgeben ist – Bäume, Büsche, Kletterpflanzen, Blumen. Alles sehr grün und üppig. Die Felswand selbst ist Teil einer Schlucht.«
»Was halten Sie vom Schlafenden Buddha als Treffpunkt für eine Übergabe?«, wollte Smith wissen. Fred Klein hatte ihm zwar Landkarten und Ortsbeschreibungen geschickt, aber es war trotzdem besser, sich die Örtlichkeiten von jemandem beschreiben zu lassen, der schon einmal dort gewesen war.
»Li Kuonyi und Feng Dun bietet der Ort eine Vielzahl von Möglichkeiten, was für Sie vermutlich eine Erschwernis darstellt, da Sie das Dokument demjenigen abjagen wollen, in dessen Besitz es sich am Ende befindet.
Der Schlafende Buddha ist riesengroß, aber er befindet sich unter einem Überhang und ist von vielen anderen Skulpturen umgeben, einige davon Darstellungen buddhistischer Legenden. Viele sind in Augenhöhe angebracht, das heißt, sie bieten zahlreiche Versteckmöglichkeiten. Außerdem gibt es in der Nähe noch weitere dunkle Grotten und Höhlentempel mit Steinfiguren.« Mahmout riss das Steuer herum, um einem Hund auszuweichen, der über die Straße flitzte. »Ihre Beschreibung trifft bis ins kleinste Detail zu, Dr. Thayer. Besser hätte ich es auch nicht beschreiben können. Aber woher wissen Sie das alles?«, fragte er
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