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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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heiserer Stimme. »Leider habe ich kein besseres …«
    Der Major starrte auf das dreckige Tuch. »Was soll ich damit?« fragte er verblüfft.
    »Ihr Einglas ist beschlagen. Sie müssen es putzen.«
    Passadowski wurde hochrot und schob das Monokel in seinen Pelz. Er schluckte, ehe er zu sprechen begann … in seinem Gesicht spiegelte sich die Niederlage bereits wider … er erwartete auch hier nichts mehr als eine Ablehnung.
    »Man hat mir erzählt, daß Sie einem sowjetischen Kommissar ein Auge ausgeschlagen haben …«
    Sellnow richtete sich auf. Er war ehrlich erschrocken. »Das habe ich nicht gewußt!« sagte er leise. »Ich habe ihn angegriffen, ja … ich habe ihn zu Boden geschlagen … Dann sah ich plötzlich nichts mehr … was ich in vier Jahren erduldet habe, das brach plötzlich aus mir heraus, was ich tat, wußte ich nicht mehr. Aber daß Kuwakino ein Auge dabei verlor … das bedauere ich wirklich.«
    »Man hat vor, Sie vor ein Kriegsgericht zu stellen.«
    »Damit habe ich gerechnet.« Sellnow lachte sarkastisch. »Nur soll man sich beeilen … sonst kann ich an der Verhandlung nicht mehr teilnehmen …«
    »Sie sind Fatalist?«
    Sellnow sah Passadowski spöttisch an. »Wenn Sie wollen, auch Nihilist! Dr. Kresin behauptete sogar, ich sei auf dem besten Wege, auch Kommunist zu werden …«
    Passadowski atmete sichtlich auf. »Das wäre eine gute Lösung.«
    »Unsinn wäre das!« sagte Sellnow grob.
    Der Major zuckte zusammen. »Aber, aber, Kamerad!« stammelte er.
    »Der Kommunismus ist für mich genauso ein Dreck wie der Nationalsozialismus! Die Idee – darüber wollen wir nicht streiten. Aber was man daraus gemacht hat … das ist ausgesprochener Mist.«
    »Es fehlen die intelligenten Köpfe, Kamerad.«
    »Zu denen Sie sich rechnen, was?« Sellnow lachte gequält. Ein Hustenanfall warf ihn zurück. Schmerzverzerrt preßte er die Hände gegen die Brust. Dabei brach kalter Schweiß aus seinen Poren. Passadowski sah auf den schwerkranken Mann und war geneigt, ihm seinen ätzenden Spott zu verzeihen.
    »Sie kennen das Nationalkomitee Freies Deutschland, Kamerad?«
    »In Moskau? Ja! Die Kerle, die mit Lautsprechern an die Gräben fuhren und herüberriefen: Lauft über – in Moskau warten Frauen auf euch, und dort gibt es süßen Reis! Und dann spielten sie: Hörst du mein heimliches Rufen … Gehören Sie zu dieser Bande?«
    Passadowski wurde steif. »Wir sind ein Korps alter Offiziere. Namen, die Klang haben in der deutschen Kriegsgeschichte.«
    Sellnow winkte ab. »Sie wollen mich zum Kommunismus bekehren, nicht wahr?« fragte er. »Woher nehmen Sie eigentlich die Frechheit, hier in dieses Saulager zu kommen, gesund, gepflegt, vollgefressen, vielleicht dem Bett einer schönen Saratower Hure entstiegen …?«
    »Herr von Sellnow!« rief der Major empört.
    »Herr Major! Putzen Sie ihr Monokel! Sie können sich als Zauberkünstler betätigen. Ebensowenig, wie Sie aus einem Scheißhaufen Butter machen können, machen Sie aus mir einen Kommunisten! Und jetzt gehen Sie … aber bitte etwas plötzlich … sonst nehme ich meine letzte Kraft zusammen und schmeiße Sie hinaus!«
    Major Wilhelm Passadowski prallte zurück. Schnell verließ er die Krankenbaracke und wischte sich in der kalten Schneeluft den Schweiß von der Stirn. »Ein unmöglicher Mensch«, murmelte er. »Und das war ein Arzt und ein Offizier! Der Krieg verroht die Menschen …«
    Das war ein Trost, an dem es sich wieder aufrichten ließ. In strammer Haltung ging er zu der kleinen Wachbaracke zurück und betrat den Raum. Die MWD-Offiziere saßen mit dem Lagerkommandanten um den Tisch und tranken Wodka aus Wassergläsern. Das Zimmer war von Tabakrauch vernebelt. Sie lachten, als der Major eintrat. Er wußte nicht warum – vielleicht wußten sie, daß er eine Niederlage erlitten hatte. Er kniff die Lippen zusammen und blieb wie ein Schuljunge an der Tür stehen. Niemand bot ihm einen Stuhl an. Er fühlte, daß er trotz allem nur ein Plenni war, ein Ausgestoßener, ein Absteiger, Verachteter, trotz seines Parteibuches und der Sondervollmacht des Zentralkomitees. Man schnitt ihn … ihn, Major Wilhelm Passadowski, den ehemaligen Regimentskommandeur vor Smolensk.
    Mit verbissenem Gesicht blieb er stehen, im Qualm, an der Tür, in der Hitze, mit dem dicken Pelz. Nur das Monokel klemmte er ein. Haltung ist alles, dachte er. Haltung auch in der Gefangenschaft. Der deutsche Offizier repräsentiert sein Vaterland!
    Schwitzend, mit Monokel, stand er an

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