Der Attentäter - The Assassin
Haut spürte, hätte sie fast den Verstand verloren, aber sie kämpfte die Angst mit einer letzten Kraftanstrengung nieder.
»Naomi, Naomi …« Er schüttelte amüsiert den Kopf. »Kein Zweifel, dass mehr zwischen Ihnen und Kealey ist, ich bin mir sicher … Haben Sie geglaubt, Sie könnten seine tote Verlobte ersetzen? Antworten Sie.«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie.
»Wollten Sie es?«
Sie antwortete nicht. Er ließ das Thema fallen, beugte sich zu dem Werkzeugkasten hinunter und tauschte die Zange gegen ein Mehrzweckmesser aus. Nachdem er die Klinge mit dem Daumen herausgeschoben hatte, studierte er die scharfe Seite und warf das Messer in den Kasten zurück. »Ich hab’s mir anders überlegt. Experten für plastische Chirurgie vollbringen damit wahre Wunder … Mal sehen, ob wir nicht etwas … Interessanteres finden.«
Kharmai öffnete gegen ihren Willen den Mund. »Was haben Sie vor?«
»Leicht zu erklären«, antwortete er, weiter in dem Kasten wühlend. »Ein schneller Tod wäre zu einfallslos und auch etwas zu langweilig. Sie sollen ruhig noch ein bisschen leiden.«
Er blickte zu ihr auf, um ihre Reaktion abzuschätzen, und sprach dann in einem nüchternen Tonfall weiter. »Sie und Kealey hätten sich nicht in meine Angelegenheiten einmischen sollen. In Ihrem Fall könnte man es fast Ihrer Unwissenheit zuschreiben, aber er hätte es besser wissen müssen. Leider ist er nicht hier, um selbst dafür zu bezahlen, deshalb müssen Sie die Sache ausbaden.« Nachdem er noch eine Minute in dem Werkzeugkasten gekramt hatte, fand er ein Messer mit feststehender Klinge und hielt es hoch, um die gezackte Schneide zu begutachten. »Dieses scheint mir besser geeignet.« Er lächelte. »Dann wollen wir mal sehen, was wir mit Ihrem hübschen Gesicht anstellen können.«
Sie wich mit einem leisen Stöhnen zurück. Die Handschellen schnitten in ihre Gelenke und rissen die Haut auf, aber sie spürte den Schmerz nicht, weil sie völlig von dem Gedanken in Anspruch genommen war, dem Messer zu entkommen.
Aber es gab keine Hoffnung. Sie spürte Panik aufsteigen und ihre Knie weich werden, als er sie schmerzhaft gegen die Drehbank presste und sie sich immer wieder »nein, nein, nein« sagen hörte. Jetzt glaubte sie zu ahnen, was dieser Mann vor einem Jahr Katie Donovan angetan hatte, und ihr war klar, dass sie noch etwas sehr viel Schlimmeres erwartete. Es gab kein Entkommen, als er mit der Linken ihren Hals packte, ihren Kopf zurückstieß und das Messer vor ihr Gesicht hob. Sie schloss die Augen so fest wie möglich, wartete auf den Schmerz und betete, dass es schnell vorbei sein möge.
Der Schmerz blieb aus. Vom Eingang her waren plötzlich laute Geräusche zu hören, und Vanderveen hielt inne und blickte nach links. Foster stand in der Glastür. »Uns bleibt keine Zeit mehr«, rief er beunruhigt. »Nazeri muss losfahren. Sofort.«
»Noch eine Minute«, antwortete Vanderveen. »Ich bin hier gleich fertig.«
»Aber …«
Vanderveen wandte den Blick von Kharmais verängstigtem Gesicht ab und schaute zur Tür, offensichtlich hin- und hergerissen, und ließ sie dann los. Ihre Kräfte verließen sie, und sie stürzte, bis die Handschellen ihrem Fall Einhalt geboten.
»In Ordnung, ich komme.« Er wandte sich Kharmai zu, die ihr Gesicht gegen die rechte Schulter presste. »Bin gleich wieder da.«
Im gleichen Augenblick hatte Kealey in dem gemieteten Accord gerade die Triborough Bridge hinter sich gelassen und raste in
südlicher Richtung über den Franklin Delano Roosevelt Drive. Als sie in der Vyse Avenue losgefahren waren, hatte er sofort bei Harper in Langley angerufen, damit er die im Großraum New York lebenden Nazeris überprüfen ließ. Glücklicherweise gab es nicht viele davon, und unter Berücksichtigung einiger Kriterien war die wahrscheinliche Adresse leicht zu ermitteln.
Der Eigentümer von Bridgeline Transport Inc., einem Transportunternehmen mit Niederlassungen in Ithaca und Montreal, war ein gewisser Amir Nazeri, der aus Teheran stammte und in den frühen Achtzigerjahren in die Vereinigten Staaten gekommen war. Darüber hinaus besaß die Firma, deren zweiter Geschäftszweig das Aufstellen und Beliefern von Getränkeautomaten war, noch ein Lagerhaus an der West 37th Street, und dorthin waren er und Crane jetzt unterwegs. Harper wollte über die laufenden Ereignisse informiert werden, doch Kealey hatte ihm mitten im Satz das Wort abgeschnitten und das Gespräch beendet, um die Leitung
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