Der aufrechte Soldat
doch nur eine alte Kuh. Das müßtest sogar du erkennen können, Geordie.«
Während diese Diskussion über weibliche Schönheit in vollem Gange war, lehnte Wally sich vor und griff nach meinem zusammengerollten Bild von Hanuman, das auf dem Tisch lag.
»Laß die Finger davon, du Schweinekerl!« Ich packte sein mickriges gelbes Handgelenk. Er lachte, ließ sich nach hinten sinken und zerknautschte die Rolle. Ich schlug ihm mit der linken Faust vor die Brust.
Im nächsten Augenblick waren wir schon auf den Beinen und standen uns kampfbereit gegenüber. Ich war so wütend, daß ich kaum auf Geordie achtete, der uns beiden müde zurief, wir sollten uns wieder setzen.
»Komm raus, du lausiger Bastard, und ich werde dich lehren, was es heißt, das Eigentum anderer Leute zu beschädigen.«
»Du könntest doch noch nicht mal einer Sau das Pinkeln beibringen, du Arsch! Ich wollte mir dieses Scheißding doch nur mal ansehen.«
»Warum hast du es dann ruiniert, du neugieriger Scheißer?«
Wally wurde ganz ruhig und duckte sich, als wollte er mir an die Kehle springen. »Nenn mich ja nicht mehr Scheißer, du Midland-Pinsel, oder ich zeig dir, wo’s langgeht.«
»Du?« Ich fuchtelte ihm mit der Faust vor der Nase herum.
Kellner kamen herbeigerannt und wedelten mit den Händen, um uns zu beruhigen. Leute an anderen Tischen sprangen auf, und Geordie versuchte uns aus dem Restaurant hinauszulotsen. »Um Himmels willen, ihr verdammten Idioten, wollt ihr, daß uns die Rotmützen auf den Hals kommen? Haltet euch zurück! Bezahlt endlich, und dann sehen wir zu, daß wir von hier verschwinden!« Er hob die zerknautschte Bildrolle vom Boden auf, wohin Wally sie geschleudert hatte, und schaffte es unter Flüchen, mich aus dem Restaurant hinauszubugsieren.
Wally war bereits vor uns hinausmarschiert. Ich dräng te mich an ihm vorbei, schlug Geordies Hand weg und verschwand im Basar. Indem ich mein mißhandeltes Bild umklammerte, ging ich weiter, obgleich ich hören konn te, wie Geordie nach mir rief. Ich bedauerte nur, daß ich Wally keine Tracht Prügel verabreicht hatte, als dazu Gelegenheit bestand.
Mein Temperament machte mir Schwierigkeiten, wie es schon seit meiner frühesten Schulzeit der Fall gewesen war. Ich war sechzehn, als ich von zu Hause wegging nach London, um Virginia Traven zu suchen, meine große Liebe. Ohne sie war ich in der vom Krieg wie benommen wirkenden Stadt völlig verloren. Wo ich ging und stand, bedeutete mir überhaupt nichts. In den Straßen unter dem Himmel des Jahres 1939 gab es für mich nur Frust und Wut.
Mein Stolz hatte es mir nicht gestattet, kleinlaut von London wieder nach Hause zurückzukehren. Wäre mein Vater jemals gekommen, um mich zu suchen, mich zurückzuholen – nun, dann wäre ich dankbar zurückgekehrt und hätte mich nicht als Verlierer gefühlt. Aber er kam nicht. Als ich begriff, daß er nicht kommen würde, marschierte ich ins Rekrutierungszentrum der Armee am Leicester Square, schwindelte mit meinem Alter und unterschrieb für das, was damals die traditionelle »Sieben und fünf« war – was hieß: sieben Jahre aktiver Dienst und fünf in der Reserve.
Ich kam zu den 2. Royal Mendips, die damals ihre Ausbildung in der Nähe von Wells absolvierten und den größten Teil Somersets zu Fuß oder auf dem Bauch kennenlernten. Als das Regiment Anfang 1940 nach Frankreich verschifft wurde, war ich dabei. Dort fuhren wir fort, die Landschaft rund um Arras mit Bäuchen und Füßen zu erkunden. Um die Routine zu unterbrechen, meldete ich mich freiwillig zu einem Funkerkurs, der, wie ich erfahren hatte, mich nach Paris führen würde. Paris! ’errliches Pari! Der Name allein zauberte ein wissendes Grinsen auf das Gesicht jedes Soldaten.
Als die schicksalsbestimmende Liste durchgegeben wurde, war ich nicht für Paris vorgesehen. Statt dessen fand ich mich in einer dem Norden zugewandten Nissenhütte in Prestatyn an der Küste von Nord-Wales wieder. Die maßgeblichen Stellen hatten entdeckt, daß niemand die Geheimnisse eines 19er-Geräts richtig erfassen konnte, der nicht den eisigen Stürmen getrotzt hatte, die über die grauen Fluten der Bucht von Liverpool hinwegfegten. Während ich mich dieser Mischung aus Technologie und Meteorologie unterzog, wurden meine Kameraden im Expeditionskorps plötzlich in schwere Verteidigungskämpfe in Belgien verwickelt, als Hitlers damals unbesiegbare Divisionen durch das Flachland in Richtung Frankreich und Paris vordrangen.
Die Mendips nahmen an
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