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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Dorrestein
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ihr schlagartig wieder diverse Laurens-Vorzüge einfielen: seine Herzlichkeit, sein aufrichtiges Interesse, seine stete Hilfsbereitschaft, seine schönen Komplimente, die er so großzügig austeilte, seine Verliebtheit in Veronica, die nie abgeflaut war, seine Freude und sein Stolz bei ihren Erfolgserlebnissen, sein Mitgefühl, wenn sie Pech hatte.
    »Weißt du...«, setzte sie an und streckte die Hand nach ihm aus.
    Leander kam ihr zuvor. »Lass uns darüber reden, Laurens«, sagte er mit warmer, tiefer Stimme. »Meiner Meinung nach handelte es sich um ein Missverständnis.«
    Yaja lachte kurz. »Wenn er rumätzt, musst du ihn einfach dissen.«
    Was bist du doch für ein Luder, dachte Beatrijs, und das verschaffte ihr für einen Moment tiefe Erleichterung. Diese Göre dachte wohl, sie könnte ihren Vater blamieren, dabei machte sie sich nur selber lächerlich.
    »Laurens?« Leander legte die Hände mit den Handflächen nach oben vor sich auf die Tischplatte. »Wollen wir...«
    »Ich werd dann mal die Kids zusammentrommeln«, sagte Laurens und sah unbestimmt an ihm vorbei. »Sie müssten längst im Bett liegen.« Er erhob sich und lief in den Garten.
    Mit einem Gefühl der Leere wurde Beatrijs bewusst, dass sie immer noch die Kirschen über den Ohren hängen hatte. Sie nahm sie ab. Es blieb nun, da sie mit Leander und Yaja übrig geblieben war, geraume Zeit still. Eine verirrte Biene kletterte lahm über die letzten Kirschen am Boden der Schüssel. Dann und wann versuchte sie aufzufliegen, und man hörte das machtlose Surren ihrer verklebten Flügel. So klein und unbedeutend zu sein, so gänzlich außerstande, das eigene Schicksal zu beeinflussen – Beatrijs hätte am liebsten den Kopf auf den Tisch gelegt und über die gesamte Schöpfung geweint.
    Ihr gegenüber saß Yaja und studierte ihre Haarspitzen. Sie betrachtete mal eine Strähne hier, mal eine Strähne dort und zupfte dann affektiert daran herum. »Echt cool hier«, sagte sie nach einer Weile, »voll entspannt.«
    »Ich wollte nur mit ihm reden .« Leander klang perplex.
    »Aber er nicht mit dir. Warum flippst du immer gleich aus, wenn du nicht deinen Willen durchsetzen kannst? Dieser Laurens ist echt nicht scharf auf dein Geschwafel.«
    »Du kannst Gwen bestimmt beim Abwasch helfen«, sagte Beatrijs spitz. Auf ihrer Oberlippe glänzten kleine Schweißperlen.
    »Forget it.«
    Leander richtete sich auf. »Was hast du denn sonst vor, Yaja?«
    »Irgendwas mit dem Baby. Das lacht wenigstens, wenn es mich sieht.«
    »Aber das ist jetzt im Bett. Du kannst ja irgendwas lesen. Oder geh fernsehen. Oder frag, ob du an den Computer darfst.«
    »Du willst mich nur loswerden. Weil du lieber mit ihr allein bist.«
    »Oder wir schaun, ob es irgendwo ein Federballspiel gibt.«
    »Federball? Das ist ja wohl voll Panne, Mann. Seh ich etwa aus wie ’n Kleinkind oder ’ne alte Oma?« Yaja schob ihren Stuhl zurück und schlurfte beleidigt von dannen.
    Beatrijs spürte jeden Muskel in ihrem Körper sieben Seufzer der Erleichterung ausstoßen. Die Erfahrung lehrte, dass man sich tunlichst nie in die Erziehung anderer Leute Kinder einmischte, sondern es lieber für sich behielt, wenn man dachte: Gib diesem Scheusal doch einen Tritt, anstatt dich so für sie ins Zeug zu legen .
    Sie rückte etwas näher an Leander heran. Endlich zusammen. Wenn niemand anderer dabei war, war er immer gleich um einiges entspannter. Nicht er war es, der dieses Gefühl von Verkrampfung und Zerrissenheit bei ihr auslöste, sondern die anderen, Laurens, Yaja... ja, wer eigentlich nicht? Als sie für die Ferien noch kurz zusammen ein paar neue Sommersachen kaufen gegangen waren, war Leander gewaltig mit einer Verkäuferin aneinander geraten, die sie seit Jahren bediente. Er sah ja auch, was ihr stand, aber man konnte doch schwerlich zu so jemandem sagen: »Tut mir Leid, ich habe mich zwar immer auf Sie verlassen, aber jetzt habe ich meinen Mann, und mein Mann ist ein Seher, also vielen Dank.«
    Sie nahm seine Hand und drückte sie. »Wollen wir noch einen kleinen Spaziergang machen?«
    »Findest du etwa auch, dass ich heute Mittag ungerecht zu Bobbie war?«
    Sie zögerte. Bobbie. Bobbiematz, hatten sie früher immer gesagt, oder Bobbiebär. Beatrijs kannte sie schon seit der Schule, seit Timo mit Gwen zusammengekommen war. Bobbie war immer bei allem dabei gewesen, bei Partys, Ausflügen, Geburtstagen. Stricken, häkeln und nähen zu lernen, das war damals ihr großes Ziel gewesen. Denn wenn man gut in

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