Der Azteke
miteinander plaudern. Ich werde daher aufhören, Gesten und Gebärden zu beschreiben, sondern einfach den Inhalt der folgenden Unterhaltungen wiedergeben. Nachdem wir unser Wildbret ein paar alten Frauen übergeben hatten, welche am Fluß große Kochfeuer unterhielten, schlug er vor, daß wir uns in einem der Dampfbäder sauberschwitzen sollten. Außerdem deutete er mir mit schönem Takt an, wenn wir gebadet hätten, könne er mir saubere Kleidung verschaffen, falls ich meine zerschlissenen Kleider in eines der Feuer werfen wolle. Selbstverständlich ging ich nur allzu gern auf diesen Vorschlag ein.
Als wir uns am Eingang des lehmgebauten Schwitzbades auszogen, sollte ich eine kleine Überraschung erleben. Als ich Tes-disóra nackt erblickte, sah ich, daß ihm unter den Achseln und zwischen den Beinen kleine Haarbüschel sprossen, und machte ein paar Bemerkungen zu diesem unerwarteten Anblick. Tes-disóra zuckte nur mit den Schultern, zeigte auf seine Behaarung, sagte »Rarámurime«, wies dann auf meinen unbehaarten Schritt und sagte: »Chichimecáme.« Womit er ausdrücken wollte, das sei nichts Besonderes; den Rarámuri wüchsen reichlich Ymáxtli um ihr Gemächt und unter den Armen, den Chichiméca hingegen nicht.
»Ich bin aber kein Chichiméca«, beteuerte ich abermals, doch war ich nicht sonderlich bei der Sache, denn ich überlegte. Von allen Volksstämmen, welche ich kennengelernt hatte, wuchsen nur den Rarámuri diese überflüssigen Haare. Ich nahm an, das sei auf das außerordentlich kalte Wetter zurückzuführen, welches sie einen Teil des Jahres über zu erdulden hatten, wiewohl ich nicht einsah, wieso Haarwuchs ausgerechnet an diesen Stellen irgendwelchen Schutz vor der Kälte bieten sollte. Dann kam mir ein weiterer Gedanke, und ich fragte Tes-disóra:
»Wachsen euren Frauen ähnliche kleine Haarbüschel?«
Er lachte und erklärte, selbstverständlich sei das bei ihnen so. Er setzte mir auseinander, der erste sprossende Ymáxtli-Flaum gelte als erstes Zeichen dafür, daß ein Kind zum Manne oder zur Frau heranreife. Bei Männern wie Frauen gleichermaßen werde aus dem Flaum nach und nach Haar – kein besonders langes Haar, und es störe und behindere auch in keiner Weise, doch handele es sich unleugbar um Haare. Mir war in der kurzen Zeit, die ich jetzt im Dorf gewesen war, bereits aufgefallen, daß viele von den Rarámuri-Frauen bei aller ausgeprägten Muskulatur sehr gut gewachsen und von außerordentlich schönem Gesicht waren. Was heißt, daß ich sie reizvoll fand, noch ehe ich von dieser Besonderheit erfahren hatte, die mich nachdenklich stimmte: wie würde es wohl sein, einer Frau beizuwohnen, deren Tipíli nicht ins Auge springend sichtbar oder höchstens durch einen feinen Flaum verschleiert war, statt dessen dunkel und aufreizend umrahmt von Haar, ähnlich dem auf ihrem Kopf?
»Das kannst du leicht feststellen«, sagte Tes-disóra, gleichsam als hätte er meine unausgesprochenen Gedanken erraten. »Während der Tes-Güinápuri-Spiele brauchst du bloß hinter einer Frau herzulaufen, sie einzuholen und du kannst es selbst feststellen.«
Als ich nach Guagüey-bo gekommen war, hatten die Dorfbewohner mich verständlicherweise mit mißtrauischen und abschätzigen Blicken bedacht. Doch als ich sauber und gekämmt war und das Schamtuch und den ärmelbesetzten Umhang aus schmiegsamem Hirschleder angezogen hatte, wurde ich nicht mehr verächtlich betrachtet. Von da an waren die Rarámuri – mit Ausnahme eines gelegentlichen Gekichers, wenn ich einen besonders lustigen Schnitzer in ihrer Sprache machte – ausgesprochen höflich und freundlich zu mir. Und wenn durch nichts anderes, so zog ich durch meine außergewöhnliche Größe so manchen fragenden, ja, bewundernden Blick von den Mädchen und unverheirateten Frauen auf mich. Es sah so aus, als ob eine ganze Reihe von ihnen sich mit Freuden von mir im Lauf würde verfolgen lassen.
Sie liefen ohnehin fast immer – alle Rarámuri, Männer wie Frauen, jung und alt. Sobald sie aus dem Kleinkinderalter hinaus waren und richtig gehen konnten, bewegten sie sich fast nur im trabenden Gang. Den ganzen Tag über, bis auf jene Zeiten, da sie mit irgendeiner Aufgabe beschäftigt waren, welche es erforderlich machte, daß sie sich nicht von der Stelle bewegten, wenn sie vom Tesgüine umnebelt waren oder im Traumland des Jipuri-Götterlichts weilten, liefen sie. Liefen sie nicht zu zweit oder in Gruppen um die Wette, liefen sie allein hin und her, immer
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