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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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war auf der Flucht, und das bestimmte das Leben der Gruppe mehr als alle strategischen Zielvorstellungen.
    Jan-Carl Raspe hatte bei einer alten Freundin Ulrikes, Tochter eines bekannten Psychoanalytikers, gewohnt. Zum Abschied gab sie ihm eine Ansichtskarte mit dem Bild eines ehemaligen Sanatoriums in Bad Kissingen. Auf die Rückseite schrieb sie, daß der Träger dieser Karte das Haus betreten dürfe. Es war ein leerstehendes, etwas heruntergekommenes Gebäude, das nur im Sommer für ein paar Wochen als Feriendomizil für die Kinder eines »Kinderladens« diente.
    Am Nachmittag des 14 . Dezember fuhren Ruhland und Astrid Proll nach Bad Kissingen. Sie kauften im Ort Ölöfen, Lampen und Kabel. Am nächsten Tag kamen Baader, Ensslin, Jansen, Raspe und dessen ehemalige Freundin Marianne im Sanatorium an, spätabends Meinhof, Meins und Sturm.
    Man sprach über künftige Aktionen. Beate Sturm erschien das alles mehr wie Spinnerei. Sie hatte die Gruppe immer nur auf der Flucht erlebt, die Mitglieder fühlten sich ständig beobachtet und verfolgt, hatten in kurzen Abständen die Quartiere gewechselt und sich nur unter strengen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Jetzt über große Aktionen wie etwa Entführungen zu sprechen fand sie absurd.
    Baader verlangte Aktionen. Vielleicht könnte man den Verleger Axel Springer entführen, um die Gefangenen in Berlin freizupressen. »Oder Franz Josef Strauß?«
    »Auf dessen Freilassung legt doch niemand Wert.« Alle lachten.
    Jemand erwähnte Willy Brandt. »Der macht abends in Bonn häufig allein Spaziergänge. Oder er wird nur von einem Beamten begleitet.« Das fand keine Zustimmung. Eine Entführung des SPD -Kanzlers könne nur der CDU nützen.
    Die Strategiedebatte machte keine Fortschritte. Die Gruppe verlegte sich auf die konkrete Planung neuer Banküberfälle. Das war ein greifbares Ziel. Außerdem wurden die Mittel knapp. Gudrun Ensslin verwaltete nach wie vor die Kasse. Jeder bekam das, was er brauchte; das Leben in der Illegalität war kostspielig.
    Die Zusammenkünfte in dem »Sanatorium« verliefen planlos und ungeregelt. Das Haus war verwahrlost, Mobiliar so gut wie nicht vorhanden. Ruhland hatte in drei Zimmern Ölöfen installiert, die übrigen Räume blieben unbewohnbar.
    Nach wenigen Tagen hatten alle genug vom engen Zusammensein in der ungastlichen Herberge, und man schwärmte wieder aus, um im Ruhrgebiet Banküberfälle vorzubereiten.

16. Heimweh und Verhaftung
    Ruhland und Beate Sturm machten sich in einem Mercedes auf die Reise. Kalle erzählte von seiner Familie. Beate wußte bereits von Ulrike Meinhof, daß seine Frau an Leukämie erkrankt war. Durch diese Krankheit, erzählte Ruhland, sei er in schwierige finanzielle Verhältnisse geraten. Er sei vorbestraft und habe das Sorgerecht für seine Kinder verloren. Beate Sturm erinnerte sich, daß Ulrike ihr gesagt hatte, Ruhland sei ein »Opfer des Systems«.
    Als die beiden in die Nähe von Leverkusen kamen, sagte Beate: »Da wohnen meine Eltern.«
    »Wir können ja mal kurz vorbeifahren«, schlug Ruhland vor.
    Langsam fuhren sie an dem Grundstück mit dem modernen Einfamilienhaus vorbei, und Beate Sturm konnte kurz über den Zaun sehen. Dann gab Ruhland wieder Gas. Sie wußten, daß der Ausflug nicht den konspirativen Regeln entsprach, aber Kalle beruhigte das Mädchen: »Das bleibt unter uns.«
    Gegen 22 . 00 Uhr erreichten die beiden Oberhausen, wo sie sich in dem Lokal »Rex  2 « mit Ali treffen wollten. Die Kneipe war schon geschlossen, und sie klopften an die Tür. Nach einiger Zeit erschien Ali, der mit dem Wirt befreundet war, und setzte sich zu ihnen in den Wagen. Er war betrunken. Ruhland machte ihm Vorwürfe.
    Sie fuhren durch Oberhausen und besichtigten die von Ali zum Diebstahl ausgewählten Fahrzeuge. Die Wagen entsprachen auch Ruhlands Vorstellungen. Die Männer wollten sich noch in derselben Nacht an die Arbeit machen. Es fehlte nur das notwendige Werkzeug.
    »Ich weiß jemanden, der die Sachen beschaffen kann«, sagte Ali. Sie fuhren zurück zum »Rex  2 «. In der Kneipe saßen vier oder fünf Gäste. Ali holte einen jungen Mann heraus. Mit hoher Geschwindigkeit steuerte Ruhland dessen Wohnung in einem Außenbezirk von Oberhausen an. Plötzlich tauchte ein Streifenwagen der Polizei auf und setzte sich hinter den Mercedes. Ruhland versuchte, die Verfolger abzuhängen, aber die Polizisten blieben dicht auf, überholten schließlich und hielten die Kelle hinaus.
    Ruhland mußte seine Papiere

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