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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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verloren?
    Als sie entdeckt hatte, dass Ruben sie auf eine verbotene Weise liebte? Und sie ihn? Als er aufgehört hatte, ihr Bruder zu sein? Als das zermürbende Versteckspiel begann? Als jeder Mensch sich in eine Gefahrenquelle verwandelte?
    Ja, dachte Ilka und hellte das Kinn ihrer Mutter ein wenig auf. Denn was hättest du gedacht, wenn du es gewusst hättest, Mama?
    Und jetzt war der Vater tot, und die Mutter hatte sich in eine Welt geflüchtet, in die ihr niemand folgen konnte. Und auch Ruben war tot, und Ilka trug die große Schuld ganz allein.
    Lara erklärte ihr in jeder Sitzung geduldig, dass es nicht um Schuld ging und erst recht nicht um Sühne. Ilka wollte ihr so gern glauben, doch ihr Gewissen hatte sich verselbstständigt und glaubte, was es wollte.
    Noch zwei Tage bis zur nächsten Sitzung.
    Wie sollte sie die überstehen?
    Ilka hatte die Termine auf den Freitagnachmittag gelegt, damit sie sie mit dem Wochenende in Birkenweiler verbinden konnte. Es war ganz in Ordnung so, nur wenn sie zwischendurch seelische Unterstützung benötigte, entstand ein Problem. Sie konnte nicht mal eben von Düsseldorf nach Bröhl reisen.
    Außerdem war sie nach einer Sitzung oft so fertig, dass sie nur noch das Bedürfnis hatte, sich ins Bett zu verkriechen und niemanden zu hören oder zu sehen. Unvorstellbar, in diesem Zustand einen Zug zu besteigen und inmitten von geschäftigen, belastbaren, gesunden Menschen nach Düsseldorf zurückzufahren.
    Sie hatte sich mit Lara darauf geeinigt, dass es sinnvoll wäre, sich eine neue Therapeutin zu suchen, und Lara hatte ihr eine Kollegin empfohlen, in deren Fähigkeiten sie großes Vertrauen hatte. Den Zettel mit Anschrift und Telefonnummer trug Ilka seit Wochen mit sich herum. Er war schon so zerknittert, dass man die Schrift nur noch mit Mühe entziffern konnte.
    Alles zu viel, dachte Ilka und wusste, dass das ein bedenkliches Alarmsignal war. Der Rand der Welt rückte ihr auf den Leib wie in einer Geschichte von Edgar Allan Poe und sie wich immer weiter zurück. Irgendwann würde sie den Boden unter den Füßen verlieren und ins Nichts fallen – oder in die Hölle.
    Alles zu viel.
    Sie griff in ihre Tasche und tastete nach dem Zettel, doch diesmal beruhigte es sie nicht, sich bloß zu vergewissern, dass er da war.
    Alles zu viel.
    Sie räumte auf, denn die Werkräume mussten in ordentlichem Zustand verlassen werden, säuberte ihre Hände mit Terpentin, spülte den strengen Geruch mit viel Seife ab und griff nach ihrem Handy.
    Langsam tippte sie die Nummer ein. Sie hatte sie nicht gespeichert, weil das der Anfang einer Entscheidung gewesen wäre, die sie nicht hatte treffen wollen. Lara zu verlassen, das bedeutete, einen vertrauten Raum zu verlassen, der ihr bei allen schmerzhaften Erkenntnissen, zu denen Lara sie zwang, doch einen zuverlässigen Rahmen von Sicherheit gewährt hatte.
    Nun machte sie sich wieder auf ins Unbekannte.
    Ohne Netz, dachte sie. Wieder ganz allein.
    Alles, alles zu viel.
    » Josefine Blatzheim. Herzlich willkommen. Ich befinde mich gerade in einem Gespräch. Bitte hinterlassen Sie mir doch Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, dann rufe ich Sie gern zurück. «
    Ilka wartete den Piepton ab, holte Luft – und unterbrach die Verbindung. Sie hatte nicht mit einem Anrufbeantworter gerechnet, obwohl sie es hätte tun müssen.
    Eine freundliche Stimme, dachte sie. Angenehm und sympathisch. Und eine nette, persönliche Ansage. Also ruf gefälligst noch mal an.
    Sie drückte die Wahlwiederholung und merkte, wie das Handy in ihrer albernen Hand zitterte.
    » Ilka Helmbach. Ich rufe an … Lara Engler schickt mich zu Ihnen. Es … es geht mir nicht gut. Würden Sie mich bitte zurückrufen?«
    Erst als sie das Handy weggesteckt hatte, fiel ihr ein, dass sie ihre Nummer nicht genannt hatte. Obwohl Josefine Blatzheim sie mit ziemlicher Sicherheit auf ihrem Display erkennen konnte, wählte Ilka ein drittes Mal und gab ihre Nummer durch.
    Melde dich, dachte sie, während sie ihre Tasche packte und die Jacke anzog. Bitte, bitte melde dich schnell!

» Merle?«
    Erschrocken blickte Merle auf und geradewegs in Emilias besorgtes Gesicht.
    » Entschuldigung«, stammelte sie. » Ich war kurz mit den Gedanken woanders.«
    Der Kommissar und sein Kollege waren wieder gegangen und Merle hatte ihren Wochenbericht abgegeben wie jeden Mittwoch. Aber sie hatte sich nicht konzentrieren können. Der Anblick des Kommissars hatte Erinnerungen angestoßen, die in ihr Bewusstsein

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