Der Bilderwächter (German Edition)
halten.
Auf dem Weg nach Birkenweiler kehrte er zu der Frage zurück, wer Interesse daran gehabt haben könnte, Bodo Breitner zu ermorden.
» Jemand aus der Vergangenheit des Opfers«, fragte er Rick, » der Bodo Breitner davon abhalten wollte zu reden? Vielleicht haben sie zusammen krumme Dinger gedreht. Oder jemand, der Bodo seinen beruflichen Erfolg missgönnte?«
» Na ja«, sagte Rick gedehnt. » Erfolg …«
» … ist eine Frage der äußeren Umstände«, behauptete Bert. » Für diesen jungen Mann bedeutete Erfolg sicherlich etwas anderes als für seinen Arbeitgeber oder den Maler, dessen Bilder er sichtete.«
» Wer könnte sonst ein Motiv gehabt haben, Bodo ins Jenseits zu befördern?«, überlegte Rick. » Da fallen mir zuerst die Ritterschwestern ein. Er hat ihre Ruhe und ihren Frieden gestört und die Bilder ihres geliebten Ruben angerührt.«
» Beide zusammen?«
» Wieso nicht?«
» Das halte ich für unwahrscheinlich«, erklärte Bert. » Sie sind sich alles andre als grün. Ich bezweifle, dass sie überhaupt zu einer gemeinsamen Aktion fähig wären. Und dann noch ein Mord?«
» Stimmt. Eher eine von beiden. Und komm mir jetzt nicht mit dem Alter. Es haben schon wesentlich Ältere gemordet.«
» Aber hatten sie die Gelegenheit? Bodo Breitner ist in der Nacht getötet worden. Hortense oder Emilia Ritter hätten nach Köln fahren, die Tat begehen und zurückfahren müssen. Du nimmst dir nach einem Mord nicht in aller Seelenruhe ein Taxi, lehnst dich mit blutbespritzter Kleidung entspannt zurück und lässt dich nach Hause kutschieren.«
» Wer sagt, dass sie ein Taxi genommen hat?«
» Du meinst, die alten Damen fahren noch selbst?«
Bert kramte in seinem Hirn nach der Erinnerung an die Autos, die er auf dem Anwesen der Ritters gesehen hatte. » Da war ein weißer Kombi«, sagte er. » Ein Mercedes, glaube ich.«
» Der könnte ebenso gut dem Haushälter-Ehepaar gehören«, wandte Rick ein.
» Die Beziehung der Morgenroths zu den Schwestern sollten wir auch einmal unter die Lupe nehmen.«
» Du glaubst, sie könnten etwas mit der Tat zu tun haben?«
» Kommt auf ihre Ergebenheit an.«
» Krass«, murmelte Rick und kritzelte emsig in sein Notizbuch. Es hatte ihn gepackt, genau wie Bert.
Für einen Moment war alles vorstellbar.
» Ilka Helmbach.« Bert stockte. Etwas in ihm weigerte sich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Doch Ilka hatte ein starkes Motiv.
Rick nickte. » Ihr kann nicht daran gelegen sein, dass alle schmutzigen Einzelheiten von damals wieder an die Oberfläche gelangen.«
» Die Frage ist nur, ob ein so traumatisierter Mensch den Hass oder die Wut empfinden kann, die der Mörder empfunden haben muss«, sagte Bert. » Und wenn ja, ob er sie dann nach außen wendet.«
» Du meinst, sie würde in einer Extremsituation eher sich selbst verletzen?«
» Ich glaube schon.«
» Was ist mit Thorsten Uhland?« Rick mochte den Nachlassverwalter nicht, und das beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit. Aber nahm ihm das die Objektivität?
Nein, entschied Bert. Rick war Profi genug, um sich nicht von Sympathie und Antipathie leiten zu lassen.
» Ich erkenne bei ihm kein Motiv«, sagte er. » Bodo Breitner war seine rechte Hand. Die hackt man sich doch nicht ab.«
» Vielleicht hatten sie Schwierigkeiten miteinander, die Uhland uns verschwiegen hat.«
» Schwierigkeiten, die in einem Mord enden? Wäre davon nicht irgendwas in unseren Befragungen spürbar gewesen?«
» Ich bitte dich – hast du nicht schon genügend Täter gesehen, deren makellose Oberfläche keinen einzigen Kratzer aufwies?«
Als sie durch Bröhl fuhren, hatte Bert wieder das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Er sah aus dem Fenster, während Rick sich auf den Verkehr konzentrierte, erkannte jedes einzelne Haus, jeden Baum, der an ihnen vorüberglitt.
In Birkenweiler, dem ländlichen Stadtteil, der einmal ein eigenständiger kleiner Ort gewesen war, hatte seine Tochter ihren ersten Reitunterricht bekommen. Bert erinnerte sich an Flohmärkte und beliebte Feste auf dem Gutshof, zu denen er nicht erschienen war, weil er nicht die Zeit dafür gefunden hatte.
Als schlechter Vater war er immer gut gewesen.
Rick hielt vor dem Bauernhof an, und Bert stieg aus, dankbar dafür, dass er aus den depremierenden Grübeleien gerissen wurde.
Der am Straßenrand aufgeschichtete Schnee begann, in sich zusammenzusacken. Die Pflanzen im Vorgarten wurden wieder sichtbar. Die Schneedecke war voller Mulden. Hier und
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