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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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warum alles den Bach runtergeht. Ich bringe sie eigentlich nur zum Reden. Sie wissen schon; ich ermutige sie dazu, sich ein wenig zu öffnen.«
    Sandra zog eine weitere Tür auf und offenbarte zur Abwechslung ein auffallend staubfreies Zimmer.
    »Mein Schlafzimmer.«
    Shaper hoffte verzweifelt, dass er sich den bedeutungsvollen Blick nur einbildete, den sie Vince zuwarf.
    Sandras Zimmer wirkte so unpersönlich, dass Shaper an Kingsleys Wohnung in Clapham zurückdenken musste – eine keimtötende Lüge, die jeden Anschein von Leben erstickte. Der Unterschied bestand darin, dass die persönlichen Habseligkeiten der Frau weder versteckt noch getarnt waren – sie besaß bloß zu wenige davon, um die Anonymität des Raums zu zerstreuen.
    Ihr einziges Bücherregal ächzte unter einer Mischung nüchterner Sachbücher – Psychiatrie, Sozialberatung, Geschlechterbeziehungen – und einigen medizinischen Handbüchern über das Gaucher-Syndrom. An einem Ende jedoch befand sich in einer Höhe, die man vor dem Schlafengehen bequem erreichen konnte, eine nicht zu den übrigen Werken passende Sammlung von Mädchenbüchern mit Feen, Prinzessinnen und großäugigen Einhörnern auf dem Rücken. Unweit davon lag auf dem Nachttisch eine Packung Serax-Schlaftabletten unverhohlen in Sicht, und darüber baumelten vom Kopfteil flauschig gepolsterte, schwarze Handschellen. Shaper ertappte Vince dabei, sie nachdenklich zu betrachten.
    Seine Aufmerksamkeit blieb an einem Farbtupfen hängen, der an einer Ecke der Fußbodenleiste hervorlugte, wo die Tapete abzublättern begonnen hatte. Sandra bemerkte, dass er hinstarrte.
    »Feuchtigkeit«, erklärte sie. »Das ist auch so eine Sache. Hier fällt alles auseinander.«
    »Hm.« Unter dem sich kräuselnden Papier befand sich eine Schicht knalliger Farbe. »Da stand aber jemand schwer auf Rosa.«
    »Schuldig.« Die Frau zuckte mit den Schultern. »Ich war ein sehr mädchenhaftes Mädchen.«
    »Sie sind hier aufgewachsen? Im selben Zimmer?«
    »Mein ganzes Leben lang. Warum hätte ich mir die Mühe machen sollen, in ein anderes Zimmer zu wechseln?«
    »Also …« Irgendetwas kribbelte in Shapers Gehirn. »Also waren Ihre Eltern damals wohl auch hier, oder?«
    »Nur mein Vater. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben.«
    »Tut mir leid.« Er hüstelte und ignorierte Vinces Blick, der ihn unmissverständlich aufforderte, damit aufzuhören, die Stimmung zu verderben. Shaper fiel auf, dass sich Sandras lebhafter Tonfall nach und nach verabschiedete und Unnahbarkeit sich verdichtete wie eine Wolkenbank. »Aber … Okay, Ihr Vater. Wann hat er aufgehört, hier zu wohnen?«
    »Erst als sein Gedächtnis nachließ. Ihm wurde es hier zu langweilig. Er wollte in eine zentralere Lage. Vor zwölf, dreizehn Jahren etwa.«
    »Und, äh,« – los, mach schon  – »wie war er davor?«
    »Was meinen Sie?«
    »Na ja, all dieser … New-Age-Kram. Unaufgestiegener Meister, Auren und so. Hat er sich damit schon befasst, als …«
    Mit einem hilfsbereiten Lächeln sprang Vince ein. »Er meint, als er noch alle Tassen im Schrank hatte.«
    Der letzte Anschein von Sandras unbeschwerterem Ich verflüchtigte sich. Ihr Mund bildete eine steife, gerade Linie.
    »Ja«, antwortete sie und hielt Shapers eindringlichem Blick stand, »sehr intensiv.«
    »Inwiefern?«
    »Es ist sinnlos, mich zu fragen, ich habe mich immer davon ferngehalten. Es hat seinen Grund, warum ich mir ein Zimmer so weit oben ausgesucht habe.« Mittlerweile klang ihre Stimme beinah frostig. »Ich glaube nicht an diesen Quatsch.«
    Shaper konnte nicht anders. »Kennen Sie zufällig eine Frau namens Mary Devon?«
    Die Temperatur sank um einige weitere Grade.
    »Nein«, erwiderte Sandra. »Ich kenne sie nicht.«
    Aber   …
    »Ich kenne die kleine Schnepfe nicht, die seit Jahren versucht, Geld aus meinem Vater zu leiern. ›Um die Klinik zu renovieren‹, sagt er.«
    Ah .
    »Ich kenne diese hinterhältige Hexe, die auf meine Briefe – in denen ich sie auffordere, ihn in Ruhe zu lassen, Mr. Shaper – mit ätzenden Abhandlungen namens ›Offenbarung eines neuen Zeitalters‹ und ›Der Beweis des Propheten‹ antwortet, nicht. Ich kenne sie überhaupt nicht.«
    Vince, der allmählich in der Rolle des erklärenden Moderators warmlief, warf ein: »Sie meint das sarkastisch, Kumpel.«
    »Ach was.«
    »Und vor allem«, zischte Sandra, »kenne ich die kranke kleine Schlampe nicht, die ihn schon zweimal dazu gebracht hat, seine Pillen nicht mehr zu

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