Der Bordeaux-Betrug - Der Bordeaux-Betrug - The Bordeaux Betrayal
sagte er. »Für die Treffen sind nicht mehr viele von uns übrig geblieben, fürchte ich.«
»Das muss hart sein«, sagte ich. »Du vermisst deine Freunde, nicht wahr?«
»Ja.« Er lächelte, doch in seinem Blick lag Trauer. »Wusstest du, dass ein Teil des Geldes aus dem Marshallplan den französischen Weingütern dazu verhalf, nach dem Krieg wieder auf die Beine zu kommen?«
Ich kannte die Geschichten, wie die Deutschen in Frankreichs führende Weinbaugebiete eingedrungen waren und die Produktion beschlagnahmt hatten. Tausende Kisten besten französischen Weins waren nach Deutschland transportiert worden, um sie auf dem internationalen Markt zu verkaufen und damit dazu beizutragen, Hitlers ausufernde Kriegskosten zu finanzieren. Die schlechteren Lagen gingen zu den Truppen an die Front.
»Ich weiß, dass es den Weingütern schlecht ging«, sagte ich.
»Du kannst dir kein Bild davon machen, wie viel Wein die Deutschen gestohlen haben – wie sie die Weingüter und Châteaus ausgeplündert haben.« Sein Blick verdunkelte sich, und seine Stimme wurde plötzlich scharf. »Was sie sich da geholt haben, war genauso schlimm wie Kunstraub im Louvre. Wusstest du, dass die Franzosen, als sie schließlich Hitlers Refugium auf diesem Berggipfel in Berchtesgaden erreichten, über eine halbe Million Flaschen unserer besten Weine gefunden haben? Und die waren nur für Hitler bestimmt, einen Mann, der nicht trank.« Das sonst heiter wirkende Gesicht meines Großvaters war wutverzerrt. »Sie haben alles genommen, was sie verwenden konnten – haben es sogar für Industriealkohol benutzt, wenn sie Engpässe hatten.«
»Hattest du damit zu tun, Geld aus dem Marshallplan für die Weingüter zu beschaffen?« Ich wollte ihn von dem Thema des rücksichtslosen Vorgehens der Nazis abbringen. Seine Gesichtsfarbe hatte ein ungesundes Rot angenommen.
»Nein, zu der Zeit war ich in Washington. Aber ein paar meiner Kollegen waren involviert.« Er klang etwas ruhiger.
»Du hast mir eigentlich nie so richtig erzählt, was du während des Krieges gemacht hast.« In der Familie hatte es immer geheißen, er sei Spion der Résistance gewesen. Ich vermutete, dass meine Großmutter die Wahrheit gekannt hatte, doch soweit ich wusste, war sie auch die Einzige gewesen.
Ich war gespannt, ob er sie mir jetzt erzählen würde.
»Ich war in Frankreich – im besetzten Teil Frankreichs. Und in Spanien.« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und zerrieb sie so lange, bis sie fast nur noch aus Krümeln bestand. »Es gab dort Piloten der Alliierten, die über den Pyrenäen auf dem Weg nach Spanien abgeschossen worden waren. Unser Fluchtweg hieß ›Comet‹, weil wir uns so schnell bewegten.«
Mehr als ein halbes Jahrhundert später war dies alles, was er erzählen wollte. »Du musst ein paar unglaubliche Geschichten erlebt haben.«
»Wir taten, was wir tun mussten. Es war eine Zeit, in der Menschen ihren Mitmenschen die größten Unmenschlichkeiten angetan haben. Das darf nie wieder geschehen.« Er legte seine Hand auf meine. »Genug der traurigen Geschichten. Du sagtest, dass du mich etwas fragen müsstest, ma chère? «
»Lass uns in den Weinkeller gehen«, sagte ich. »Ich hole einen Weinheber, dann können wir den Cabernet vom letzten Jahr probieren. Ich hätte gerne dein Urteil, wie er sich entwickelt. Danach möchte ich dir die Washington-Flasche zeigen.«
»Den Wein würde ich gerne sehen«, sagte er. »Und ein Aperitif wäre schön.«
Der Parkplatz war leer. Frankie und Gina hatten den Probierraum abgeschlossen, da es bereits nach vier Uhr war. Quinns El Camino war verschwunden. Vor ein paar Tagen hatte Frankie gefragt, welche Pläne ich für das Pflanzen von Herbstblumen in den angrenzenden Gartenanlagen und den Fässern sowie Blumenkästen im Hof hätte. Sera hatte sich immer darum gekümmert, doch nachdem sie jetzt in Mexiko war, war nichts geschehen. Die Fleißigen Lieschen, die Petunien, der Salbei und die Geranien ließen die Köpfe hängen, lichteten sich, verblassten.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, hatte ich Frankie gesagt, »ich habe mir noch keine richtigen Gedanken darüber gemacht.«
Sie hatte mir eine Gartenbroschüre unter die Nase gehalten. »Überlassen Sie es mir. Ist es in Ordnung, wenn ich ein paar Veränderungen vornehme, oder muss ich es wie Sera machen?«
»Sie können machen, was Sie wollen.«
Am frühen Nachmittag musste sie sich darum gekümmert haben, denn als Pépé und ich in den Hof
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