Der Bund der Illusionisten 1
mich von meinem Reittier und hörte Temellins Lachen durch das Lager klingen.
Erst als ich am Feuer saà und das heiÃe, über Kohlen gebackene Brot mit den Wüstenbohnen darin aÃ, sah ich ihn wieder. Während er durch das Lager ging, blieb er mal bei dem einen, mal bei dem anderen Feuer stehen. Ich bekam Fragmente von dem zu hören, was er sagte: » Keine Sorge, das ist nur ein kleiner Schnitt⦠nein, ihr haltet uns nicht auf⦠er ist ganz schön anstrengend, was? Aber er macht auch viel SpaÃ⦠pass auf deine Verstauchung auf, Vessaâ¦Â«
Er hatte für jeden und jede ein fröhliches Wort übrig, und die Leute reagierten entsprechend. Ihre Gesichter strahlten, wenn er sich ihnen näherte, und ihre warmen Blicke folgten ihm, wenn er wegging. Ich spürte, wie Neid in mir aufflackerte, mir einen Stich versetzte. Er besaà etwas, das ich nicht hatte: die Fähigkeit, in den Leuten, die er zu führen half, Vertrauen und Respekt zu erwecken. Ich dagegen hatte es höchstens geschafft, dass die Leute mich fürchteten. Was das betraf, ähnelte ich eher Korden, der sich mit ernster Miene und deutlich schweigsamer ebenfalls durch die Menge bewegte. Die Menschen hörten aufmerksam zu, wenn er sprach, nickten zustimmend und akzeptierten seine Führungâ aber ihre Augen leuchteten nicht.
Als Temellin zu uns kam, hob er eine Hand, um Garis und Brand zu begrüÃen, dann berührte er meine Schulter. Er schnallte sich das Schwert ab und setzte sich. Jemand brachte ihm etwas zu essen, und er nahm es dankbar an.
» Alles in Ordnung?«, fragte er Garis, ohne auf eine Antwort zu warten. » Brand, du bist vermutlich der Einzige hier, der immer noch ein Sklavenhalsband trägt. Erlösen wir dich davon, ja?« Er zog seine Waffe und legte sie an das bronzene Halsband, das in einem kurzen Aufflackern von Licht ebenso zersprang wie zuvor meines.
Brand nahm die Stücke in die Hände und hielt sie ein paar Momente einfach nur fest. Seine Knöchel wurden weiÃ, und dann warf er die Einzelteile ins Feuer. » Danke«, sagte er leise. » Ein bisschen früher, als ich erwartet hatte, aber wieso zum ScheiÃhaufen auch nicht?« Er sah auf und lächelte uns alle an. » Göttin, fühlt sich das gut an. Kann ich dann davon ausgehen, dass ich meinen Kopf noch ein bisschen länger auf den Schultern tragen darf?«
» Wenn Derya dir vertraut«, sagte Temellin zwischen zwei Bissen Brot und Bohnen.
» Das tue ich. Und ich kenne Brand, seit er zwölf war.«
» Dann genügt mir das.« Temellin sah mich an. » Tut mir leid, Derya, dass ich mich nicht um dich kümmern konnte. Es war hier so viel zu tun.«
Ich lächelte ihn an, überrascht über das Ausmaà an Vergnügen, das ich empfand, weil er es für nötig hielt, sich zu entschuldigen. » Kein Problem«, sagte ich. » Aber ich habe noch viele Fragen.«
Er stand auf und strich sich die letzten Krümel von der Hose. » Komm, gehen wir ein Stück.« Ich sprang nur zu munter auf, und er reichte mir meinen Reiseumhang. » Nimm ihn mit; hier drauÃen ist es nachts immer kalt.«
Wir entfernten uns ein Stück von den Feuerstellen und gingen zum Ufer. Der See lag purpurn schimmernd in der Dunkelheit, und das einzige Geräusch war das gelegentliche Gequake der Frösche. » Es ist wunderschön, nicht wahr?«, fragte er. » Diese Täler sind alle ein Teil dessen, was wir sind. Wir glauben nicht an die tyranischen Götter. Wir glauben, dass jedes lebende Wesen eine Lebenskraft in sich trägt, die wir die Essenza nennen, eine Art persönlichen Geist oder Persönlichkeit. Deshalb müssen wir andere Lebewesen respektvoll behandeln.«
Ich schnaubte fast. » Du schneidest das Schilf. Du tötest, um zu essen. Ist das etwa respektvoll?«
Er lachte. » Vielleicht nicht. Wir sind auch sehr pragmatisch in unserem Glauben. Aber es ist trotzdem ein angenehmer Glaube, denn er hält uns davon ab, Dinge zu verschwenden oder unnötig Leben zu nehmen. Es ist sicher besser, als einen Kriegsgott in einem Pantheon sitzen zu haben. Und lebenden Wesen gegenüber respektvoll zu sein, scheint mir besser, als einer Marmorstatue die FüÃe zu küssen und darum zu beten, dass selbstbezogene Wünsche in Erfüllung gehen, oder?« Es kam mir in den Sinn, dass dieser Mann eine gute Ausbildung genossen haben musste;
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