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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schulligen
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filigranen Kranz aus Lindenblättern.
    Laetitia versetzte es einen Stich. Unvermittelt umwehte sie ein Hauch von Erinnerungen an längst vergessen geglaubte Tage. Sie berührte das Amulett wieder mit den Händen eines Kindes, betrachtete es mit den Augen eines kleinen Mädchens, wie damals das Amulett am Hals des Großvaters, das diesem hier verblüffend ähnlich sah. Wie lange war das mittlerweile her? In hellen Farben hatte sich ihr die Welt in jener Zeit gezeigt, ein behüteter Ort voller Glück und dem Versprechen einer glänzenden Zukunft. Ihre Finger ließen das Amulett zurückgleiten und klappten mit einer Heftigkeit, die Laetitia selbst erschreckte, den Deckel der Schatulle zu. Sie wich einen Schritt zurück und atmete tief durch.
    Als Nächstes fiel Ihre Aufmerksamkeit auf einige leere Bögen von feinem, weißem Leinenpapier, die im untersten Fach des Schrankes lagen. Rasch bückte sie sich danach. Der herrlich glatten Struktur nach zu urteilen, war es nach dem neuesten Verfahren geschöpft, das erst seit wenigen Jahren angewandt wurde. Laetitia würde nie das Gezeter der Cellerarin im Koster Paraklet vergessen, als sie kürzlich eine Fuhre vergleichbaren Materials angenommen hatte und wegen des sündhaften Preises tief in die Börse hatte greifen müssen. Laetitias Finger glitten in ehrfürchtiger Bewunderung über das Papier. Dabei spürte sie eine Unebenheit und in ihr glomm eine Ahnung auf. War es denkbar, dass der Gänsekiel, der das vormals zuoberst liegende Blatt beschrieben, feine Spuren auf dem leeren Bogen hinterlassen hatte? Neugierig hielt Laetitia das Blatt in einen hereinfallenden Lichtstrahl. Ein plötzliches Knarren ließ sie mit einem heiseren Aufschrei herumfahren. Strahlendes Tageslicht stach ihr schmerzlich in den Augen. Dann schob sich im Gegenschein der Sonne eine Silhouette vors Fenster.
    Sie gehörte Sebastian, dessen Lippen ein Lächeln umspielte. »Sieh an, wen haben wir denn da?« Er kletterte in den Raum hinein. Während er auf die Scherben am Boden deutete, fragte er: »Ist es in der Champagne üblich, zum Betreten der Häuser wertvolle Fensterscheiben zu zerschlagen? Um Euch mit den hiesigen Gepflogenheiten vertraut zu machen, will ich Euch versichern: In Trier ist es das nicht!«
    Sein Spott vertrieb Laetitias Schrecken. Sie fühlte sich wie ein unartiges Kind, das man bei einer ungehörigen Tat ertappt hatte. Gerne hätte sie dagegengehalten, aber Sebastians unverschämtes Grinsen verschlug ihr die Sprache. Sie hasste Situationen, in denen ihr nichts zu erwidern einfiel. Sie fing sich erst nach einigen Sekunden peinlichen Schweigens. »Mir ist nicht aufgefallen, dass Ihr etwa die Tür benutzt hättet!«, stotterte sie. »Überhaupt, was geht es Euch an? Und woher eigentlich wisst Ihr, dass ich aus der Champagne komme?«
    Die Verunsicherung, die sie Vorwürfe und Fragen, ohne Atem zu schöpfen, aneinanderreihen ließ, schien Sebastian zu erheitern, denn sein Grinsen dehnte sich noch breiter über sein Gesicht. »Nun, auf das Wo und Woher , was schöne Mädchen betrifft, verstehe ich mich bestens. Doch wollen wir unsere Zeit nicht mit Selbstverständlichkeiten vertun. Lasst uns lieber gleich zur entscheidenden Frage kommen.«
    »Die da lautet?«, erwiderte Laetitia mit einer Stimme, spröde wie trockenes Stroh, während sie nach Ausflüchten suchte. Natürlich brauchte es keine Erklärung, was Sebastian von ihr erfahren wollte. Worauf er abzielte, war klar wie ein Gebirgsbach.
    »Die da lautet: Woher wisst Ihr, dass es eine Augenzeugin gab? Oder, um uns viele Umwege und vertane Zeit zu sparen: Was habt Ihr an jenem Abend – und ich zweifle nicht daran, dass Ihr persönlich am Abend, als der Mord geschah, hier wart – noch beobachtet?«
    »Ich wüsste nicht, dass ich Euch gegenüber in irgendeiner Weise Rechenschaft abzulegen hätte«, entgegnete Laetitia hitzig.
    Sebastian verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich lässig gegen die Wand. »Na ja, glaubt Ihr nicht, Ihr wäret mir etwas schuldig, nachdem ich soeben im Zehnthaus Euren Kopf aus der Schlinge gezogen habe?«
    Die dreiste Direktheit des jungen Mannes missfiel Laetitia, aber sie konnte in der Tat nicht leugnen, dass er sie bei der Anhörung aus einer äußerst gefährlichen Situation gerettet hatte. Dieses Eingeständnis brachte ihren Widerstand, der zwar zu einem gewissen Quäntchen aus Misstrauen, größtenteils jedoch aus Trotz geboren war, zum Schmelzen. Überdies handelte es sich bei Sebastian um den

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