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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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zu können.
    Doch sie hatten sich getäuscht. Überall, wo sie es versuchten, wies man ihnen die Tür. Es schien, als hätten alle Reisenden Südenglands sich in Portsmouth einquartiert. »Am liebsten würde ich mich hinüber zur Isle of Wight schiffen lassen«, murrte der kleine Gelehrte. »Wenn ich mich nicht irre, hat Taggart in der Nähe von Cowes ein Landgut. Dort könnten wir Unterschlupf finden.«
    »Ein verlockender Gedanke«, bestätigte Vitus. »Er hat nur einen Haken: Um zum Eiland hinüberzukommen, brauchst du eine Fähre, und heute geht keine mehr.«
    Der Magister winkte müde ab. Doch dann erblickten seine Augen verschwommen einen größeren Platz, wo emsiges Treiben herrschte. »Was machen die Leute da?«
    »Sie scheinen Gerüste und Stände und dergleichen zu zimmern. Ich nehme an, anlässlich des Geburtstags unserer Königin.«
    Arlette beugte sich aus der Kutsche. »Ich frage mal den jungen Mann da mit der Säge, vielleicht weiß er eine Herberge. Hallo, mein Freund, weißt du, wo wir für die Nacht eine Bleibe finden können? Wir haben schon überall gefragt, aber immer vergebens.«
    »Tja, hm, Madam.« Der Jüngling legte umständlich sein Werkzeug beiseite, vielleicht um dadurch Zeit zum Überlegen zu gewinnen. »Da fällt mir auch nix ein …«
    »Nun, trotzdem vielen Dank.« Arlette wollte sich schon zurücklehnen, als der Bursche weitersprach:
    »Nur das Golden Galley. Die ham immer was, weil’s da nich grad sauber is.«
    Arlette und die Freunde blickten sich fragend an. Dann nickte Vitus. »Ehe wir gar nichts kriegen, nehmen wir das. He, mein Freund, kannst du uns auch sagen, wie wir zum Golden Galley kommen?«
    »Kannich, Sir. Ihr fahrt den Spithead runter, immer nach Süden längs, bis die Königliche Werft kommt. Ihr seht’s an den vielen Masten, wenn Ihr da seid. Gleich daneben is es. Is ne Galionsfigur über der Tür, könnt’s nich verfehlen.«
    »Danke.« Vitus gab dem Burschen eine kleine Münze.
    Sie hielten sich an die Anweisungen und gelangten nach kurzer Zeit glücklich bis zum genannten Punkt. Das Golden Galley hatte, wie sich herausstellte, nicht nur eine Fassade, die keineswegs aus Gold war, auch der Rest der Herberge hielt nicht das, was der Name versprach. »Ziemlich heruntergekommen, der Laden«, meinte der Magister, als er aus der Kutsche kletterte. »Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Autsch! Was war das? Da ist mir was über die Füße gelaufen.«
    »Wui, ’s war ’n Knagerling, vielleicht auch ’n Spitzerling«, fistelte der Zwerg und meinte damit eine Ratte oder eine Maus. »Das kann ja heiter werden.«
    »Lasst uns erst einmal hineingehen«, entschied Vitus.
    Auch drinnen wirkte das Golden Galley alles andere als heimelig. Schmutzige Tische, Essenabfälle auf dem Boden und überall Staub und Spinnweben, so präsentierte sich der Schankraum. Die Formulierung des Burschen mit der Säge, im Golden Galley sei es »nich grad sauber« erwies sich als weit untertrieben. Arlette runzelte die Stirn, dann verkündete sie tapfer: »Es hilft nichts, wenn wir hier Zimmer bekommen, müssen wir sie nehmen. Es ist ja nur für eine Nacht. Morgen sind wir auf Greenvale Castle, dann ist alles vergessen.«
    »Du hast Recht, Liebste. Ich kümmere mich um die Zimmer. Sieh mal, da hinten im Küchenraum, das ist bestimmt der Wirt. Ich gehe mal hin.«
    Zwei Stunden später lagen alle in ihren Kammern, und es war gut, dass sie auch an diesem Abend wieder rechtschaffen müde waren, denn dadurch ließen sich Schmutz und Liederlichkeit der Räume gleichmütiger ertragen. Vitus und Arlette ruhten eng umschlungen auf einem Strohsack, eine Flickendecke um ihre Körper gehüllt. »Wenigstens ist es nicht kalt«, murmelte Arlette und legte ihren Zeigefinger in sein Grübchen.
    »Nein, ich wärme dich. Das ist das wenigste, was ich machen kann.«
    »Ich beklage mich ja gar nicht.«
    »Nein, das tust du nicht. Du bist sehr tapfer, und ich liebe dich.«
    »Ich dich auch. Wenn ich nur sicher sein könnte, dass hier keine Flöhe oder Wanzen herumspringen. Du weißt ja, dass ich genauso im Kerker war wie du, und ich bin einiges gewohnt, aber wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann sind es Flöhe und Wanzen.«
    Er versuchte einen Scherz: »Ich werde alle Flöhe und Wanzen zum Duell fordern und sie eigenhändig mit dem Schwert erschlagen, sollten sie es wagen, in deine Nähe zu kommen.«
    Sie lachte leise. »Du bist mein starker Recke, ich hoffe, sie haben deine Drohung gehört.«
    »Worauf du

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