Der Chirurg von Campodios
ausstieß.
»Ich werde diese arme Kreatur von ihrem Leiden befreien!
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti!
« Der Mönch ließ den Krüppel los, zog einen Dolch hervor und stieß ihn mitten durch den Körper des Tieres. Die Ratte bäumte sich noch einmal auf, dann rührte sie sich nicht mehr.
Ein Ruck ging durch die Menge.
»Was hast du gemacht, Pfaffe!«, kreischte der Krüppel. »Die Ratte war mein, mein war sie, du musst mir den Schaden ersetzen!«
»Eher geht in der Hölle das Fegefeuer aus, als dass ich dir etwas ersetze, Schandbube! Doch sei gewiss, es wird nicht ausgehen, denn du sollst ja noch darin braten!« Die schwarzen Augen des Mönchs schienen den Beinlosen zu durchbohren. »Und jetzt werde ich dich Mores lehren, so despektierlich mit einem Gottesdiener zu sprechen!«
Er packte den Krüppel am Hemd, riss ihn mit kraftvollem Schwung hoch und hielt ihn vor sich wie einen Humpen Ale. »Steh auf und gehe!«
Zum grenzenlosen Erstaunen des Publikums begann der Beinlose jählings mit zwei Beinen zu zappeln. Doch war das erst der Anfang: Er hatte nicht nur Gehwerkzeuge, er war auch in der Lage, sie zu benutzen, denn als der Mönch ihn absetzte, machte er zwei, drei schnelle Schritte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Menge kicherte, der Krüppel war zum Hampelmann geworden.
»Und jetzt auf die Knie mit dir, Sünder! Bete zu deinem Schöpfer, damit er dir deinen blasphemischen Auftritt verzeihe. Auf die Knie!«
Doch der ehemalige Krüppel war zäher als gedacht. Statt zu gehorchen, erhob er nun selbst gewaltig die Stimme: »Genug ist’s, Pfaffe! Wie alle deiner Sorte setzt du dich mit dem Herrgott gleich. Wo warst du, Kuttengeier, als in dieser Hütte sieben brave Christen an der Pest verstarben? Wo war dein Gott, als sie ihre armen Seelen aushauchten? Du kannst es nicht sagen, oder du willst es nicht. Du willst nur eines, wie alle deinesgleichen: das Volk knebeln, es knechten und dir zum Diener machen. Ich scheiß auf dich und dein Latein! Gib mir ’nen Shilling für eine neue Ratte, oder es setzt Hiebe!«
Es waren keine leeren Worte, die er ausstieß, denn mittlerweile war sein bulliger Komplize herangetreten und spuckte sich voller Vorfreude in die Fäuste. »Lass mich das machen, Cripple, ich polier ihm die Fresse, bis sein Jesus sich darin spiegeln kann, wenn er nicht …«
»Gar nichts tust du, Gotteslästerer! Du gehst jetzt hübsch nach Hause, und deinen Scheinkrüppel nimmst du gleich mit. Die Vorstellung ist beendet.« Vitus war kaltblütig zwischen den Bullen und den Mönch getreten. Seine Stimme klang gefährlich leise, während sein Degen zischend aus der Scheide fuhr. »Ich sag’s nur einmal, ihr Gotteslästerer, nur dieses eine Mal!«
Cripples Augen wurden schmal. Seine Gesichtszüge verzerrten sich und ließen in rascher Folge die unterschiedlichsten Gefühle zu Tage treten: Hass, Rachsucht, Geldgier, Fassungslosigkeit und – Angst. Dann, ohne ein weiteres Wort, packte er sein Rollbrett, klemmte es unter den Arm und zog seinen Komplizen mit sich fort. Er wusste, wann er verloren hatte.
Der Mönch sah es mit Befriedigung und wandte sich erneut an die Menge: »Und ihr, ihr Gaffer und Sünder, die ihr euch an den Qualen eines armseligen Tieres geweidet habt, werdet jetzt mit mir beten. Senkt die Köpfe und faltet die Hände, und wehe, einer von euch macht sich aus dem Staub, bevor ich fertig bin!«
Er selbst faltete ebenfalls die Hände, und die drei Freunde taten es ihm gleich. Dann begann er:
»Pater noster qui es in coelis, sanctificetur …«
Als er geendet hatte, kam sein Amen laut und fest. »Und nun, ihr Schafe Gottes, geht, ein jeder an seinen Platz! Und betet selbst zum Herrn, auf dass er euch vergebe, und ihr werdet Vergebung erfahren.«
Die Menge verzog sich, der eine oder andere schlug noch scheu ein Kreuz. Als alle fort waren, trat der Mönch auf die Freunde zu, neigte kurz sein Haupt und sprach, mehr zu sich selbst:
»Laudetur Jesus Christus!«
Umso überraschter war er, als er von Vitus umgehend die vorgeschriebene Antwort erhielt:
»In aeternum, amen.«
»Ihr seid gekleidet wie ein Edelmann, Sir, versteht es aber, wie ein Geistlicher zu reden. Welchem von beiden darf ich für die tatkräftige Hilfe danken?«
Vitus lachte. »Wohl gesprochen, Vater! Dankt einem Mann, der ehemals Klosterschüler war: Mein Name ist Vitus. Vitus von Campodios, und das sind meine Freunde.« Er stellte den kleinen Gelehrten und den Zwerg vor.
»Ich freue mich,
Weitere Kostenlose Bücher