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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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seinen Männern hatte unterdessen das Boot nahezu vollständig aufgetakelt, war Phoebe zu Vitus gekommen: »Nur ’n Hut für Phyllis is nich genug, Cirurgicus. Die Kleine is schon rot wie’n Krebs im Kochtopf. Wir brauchen ’ne Plane oder so was, ’ne Plane brauchen wir.«
    »Stimmt, ich dachte auch schon daran, aber der Kopf war mir so voll, dass ich es immer wieder vergessen habe. Vielleicht kann aus dem zerrissenen Lateinersegel des Besans ein Sonnenschutz geschnitten werden, mal sehen, was Ó Moghráin dazu sagt.«
    Wie immer hatte der tüchtige Steuermann helfen können, und wenig später war ein genügend großes Stück Tuch auf die
Albatross
geschafft worden.
    Als endlich, am Spätnachmittag des dritten Tages, alles vorbereitet schien, versammelte Vitus die Überlebenden um sich und sagte: »Ich will keine großen Worte machen. Die Tatsache, dass wir nicht einen, sondern drei volle Tage gebraucht haben, um segelklar zu sein, macht deutlich, wie schwierig unser Vorhaben ist. Wir werden all unsere Kraft und all unseren Verstand brauchen, wenn wir die See besiegen wollen. Um das zu erreichen, müssen wir bestimmte Regeln aufstellen, an die sich jeder zu halten hat. Jeder, ohne Ausnahme.«
    Er blickte in die Runde und stellte zufrieden fest, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller hatte. »Gut. Als Erstes ernenne ich Mister Ó Moghráin zu meinem Stellvertreter. Nur Gott allein weiß, welche Gefahren wir zu bestehen haben werden, und nur seinem Ratschluss unterliegt es, ob wir sie überleben. Sollte mir also etwas zustoßen, übernimmt Mister Ó Moghráin das Kommando.«
    Vitus wandte sich an den Steuermann. »Ich hoffe, Ihr seid einverstanden?«
    »Jawohl, Cirurgicus.«
    »Schön, dann wäre das geklärt. Ein zweiter Punkt ist die Verpflegung. Alle hier Anwesenden wissen, wie bitter wenig wir zu beißen haben. Außer den zwei Fässern mit Hartbrot und Bohnen haben wir nur die
Portable soup
des Kapitäns. Sie zu genießen bedarf es Wasser – Trinkwasser wohlgemerkt, von dem wir wiederum nur zwei kleine Fässchen haben. Wir werden unsere Nahrungsmittel deshalb vom ersten Tag an streng rationieren. Wie viel das für den Einzelnen ist, werde ich nachher festlegen. Und noch etwas: Der Hahn wird nicht geschlachtet, er ist unsere Fleischreserve für den äußersten Notfall und mag dann zu einer kräftigen Brühe werden.«
    Die Mannschaft nickte.
    »Weiter: Alle Waffen an Bord stehen unter Verschluss«, Vitus deutete auf Stouts Schapp, das unter der Heckbank fest verkeilt worden war, »sollten wir welche brauchen, werde ich sie persönlich ausgeben, auch die Muskete, die instand gesetzt werden muss, damit wir gegebenenfalls Signalschüsse abgeben können. So weit alles klar?«
    Die Mannschaft murmelte Einverständnis.
    »Dann komme ich zur Wachaufstellung. Wir sind insgesamt acht Männer an Bord, alle acht werden Wache gehen. Wir bilden dazu zwei Gruppen: Die erste besteht aus dem Magister, Bride, Bantry und mir, die zweite aus Mister Ó Moghráin, Bruder Ambrosius, Enano und Fraggles. Die Gruppen wechseln sich alle vier Stunden ab. Das Stundenglas wird genau anzeigen, wann.
    Miss Phoebe und Miss Phyllis werden nicht eingeteilt, sind aber aufgefordert, in jeder freien Minute Ausschau nach einem Schiff zu halten. Wachführer der ersten Gruppe bin ich, Wachführer der zweiten ist Ó Moghráin. Jeweils zwei Männer der Wache segeln die
Albatross
, die anderen beiden halten ebenfalls Ausschau, wobei der eine die Backbordseite, der andere die Steuerbordseite übernimmt. Wer nicht Wache oder andere Aufgaben hat, schont seine Kräfte. Alles verstanden?«
    Wiederum nickte die Mannschaft.
    »Noch etwas: Das Kohlebecken muss ständig brennen. Wir haben genug Kleinholz, um das zu gewährleisten. Für den Fall, dass ein Schiff in Sicht kommt, werden wir nasses Holz in die Glut werfen, damit sich Signalrauch entwickeln kann. Das Betreiben des Kohlebeckens ist eine äußerst wichtige Aufgabe, die ich hiermit Miss Phoebe und Miss Phyllis übertrage.«
    »Is klar, machen wir, Cirurgicus, machen wir, nich, Phyllis? ’s is uns ’ne Ehre.«
    »Ja, ja, ’ne Ehre«, bestätigte Phyllis, die ob des Vertrauens, das man in sie setzte, sanft errötete.
    »Schön. Nun, äh …« Vitus wusste nicht recht, wie er den letzten Punkt zur Sprache bringen sollte. »Es gibt da noch etwas. Es handelt sich um die, äh … Notdurft, die auf dem Dollbord sitzend verrichtet werden muss. Ich denke, grundsätzlich guckt jeder weg, wenn jemand

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