Der Clan
»Du wirst mir fehlen. Deine Martinis sind gut.«
»Ich gebe dir das Rezept«, sagte ich. »Purer Gin, viel Eis, kein Wermut.«
Sie lächelte. »Das ist ein schmutziger Trick.« »Aber auch ein ausgezeichneter Martini.«
»Mein Gepäck steht unten. Ich fahre zum Flughafen. Ich will nicht zu ihm zurück.«
Ich schwieg.
»Ich erreiche noch das Spätflugzeug nach Chikago, und von dort fliege ich morgen nach London.«
»Weiß er, daß du fort bist?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Kurz bevor ich ins Flugzeug steige, rufe ich ihn vom Flugplatz aus an.«
»Wird er dich nicht schon vorher vermissen?«
Sie lachte. »Als ich fortging, war er bei einer Besprechung mit Dan, einem Mann namens Mark Simpson und einigen anderen Herren, die ich noch nie gesehen habe. Sie sahen ziemlich unkultiviert aus, nicht wie die Leute, die sonst ins Haus kommen. Wahrscheinlich wird er nicht vor dem Morgengrauen ins Bett gehen.« Sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Wenn ich mich recht erinnere, sprachen sie von dir, als ich an der Tür vorbeiging.«
»Wirklich? Hoffentlich was Gutes?«
»Keineswegs«, sagte sie ernst. »Du scheinst heute etwas getan zu haben, worüber Loren wütend ist. Stimmt das?«
»Schon möglich. Aber ich arbeite für seinen Großvater, und da sind wir in letzter Zeit nicht gerade gleicher Meinung.«
»Ich habe Lorens Stimme gehört, als ich den Korridor entlangging«, sagte sie. »>Ich kann jederzeit so hundsgemein spielen wie der Alte, und Angelo soll das nun mal zu spüren kriegen<, sagte er.«
»Was noch?«
»Sonst habe ich nichts gehört. Da war ich schon am Ende des Flurs und außer Hörweite.« Ihr Blick war besorgt. »Mir gefällt das nicht.« »Wahrscheinlich sind das nur aus dem Zusammenhang gerissene Worte, die viel böser klingen, als sie gemeint waren.«
Sie trank das Glas aus, gab es mir, und ich stellte es auf den Tisch. »Du bist vorsichtig?«
Ich nickte, und wir gingen zur Tür. »Hast du einen Mantel?« fragte ich sie.
»Ich habe ihn unten abgegeben.«
Ich öffnete ihr die Tür. Sie ging hinaus und drehte sich zu mir um. Ich beugte mich vor und küßte sie auf die Wange. »Good bye, Bobbie, und viel Glück.«
Ich sah den feuchten Schimmer in ihren Augen. »Anscheinend sagen wir uns immer wieder good bye, Angelo.«
»Sieht so aus.«
Sie unterdrückte die Tränen und schob das Kinn stolz vor. »Nun, wenigstens müssen wir das nicht noch einmal durchmachen.«
»Nein.«
Sie faßte die Revers meiner Jacke und zog mich zu sich hinunter. Ihre Lippen berührten sanft die meinen. »Good bye, Angelo, denk nicht schlecht von mir. Erinner dich nur, daß wir uns geliebt haben. Früher einmal.«
Ich schaute ihr in die Augen, die nun voller Tränen waren. »Ich werde mich daran erinnern«, sagte ich leise.
Dann machte sie abrupt kehrt und ging kerzengerade zum Fahrstuhl. Ich blieb stehen, bis die Türen sich hinter ihr geschlossen hatten.
Sie sah sich nicht um. Kein einziges Mal.
Als ich mich geduscht hatte und aus dem Badezimmer kam, hatte der Kellner den Frühstückstisch ans Bett gerollt. Cindy saß aufrecht in den Kissen und aß ein Stück Kuchen, die Decke war voller Krümel, und der Stereoapparat brüllte.
»Du meine Güte!« sagte ich, zog das Handtuch enger um die Hüften und goß mir eine Tasse Kaffee ein. »So früh am Morgen?«
»Es ist das Fünfhundert-Meilen-Eröffnungsrennen in Pocono vom vorigen Juli«, sagte sie. »Ich habe die Tonbänder erst gestern bekommen.«
Ich trank einen Schluck Kaffee. Er war schwarz, heiß und geschmacklos, wie alle Hotelkaffees. »Du konntest es wohl kaum erwarten?« fragte ich sarkastisch.
Sie beachtete mich nicht, sondern verfolgte aufmerksam das Motorengeheul, das von einem Lautsprecher zum anderen jagte.
»Das ist Mark Donohue«, sagte sie erregt. »Hörst du, wie der andere Wagen gegen ihn aufholt?«
Ich zündete mir, ohne zu antworten, eine Zigarette an. Ich lauschte. Sie hatte recht. Zwei heulende Motoren jagten sich von einem Lautsprecher zum anderen. Nun schienen sie fast gleichzeitig im selben Lautsprecher zu sein.
»Das ist Joe Leonhard! Jetzt überholt er ihn! Er ist an ihm vorbei! Mark kam auf dem Ölfleck in der zweiten Kurve von Runde zwei ins Schleudern, und Joe raste an ihm vorbei. Hör doch! Das ist AJ und Mario knapp dahinter!«
Das Telefon klingelte, ich hob ab. »Hallo«, rief ich durch den Lärm der Lautsprecher.
»Was ist das für ein verdammter Lärm?« fragte Nummer Eins. »Wo sind Sie denn, zum
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