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Der Club der Teufelinnen

Titel: Der Club der Teufelinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goldsmith Olivia
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Assimilation in diesen Schmelztiegel New York bemüht, allerdings nur dann, wenn sie dadurch an die Spitze geschwemmt wurde.
    »Mike?« fragte sie noch einmal. Verdammt, er fand, daß sie ihn Miguel nennen und diesen Anglo-Scheiß bleiben lassen sollte. Aber dafür war es nun zu spät. Ungefähr zehn Jahre zu spät, wie er sich erinnerte.
    »Ja«, meldete er sich schließlich.
    »Hör mal, kannst du heute abend zu mir rauskommen und auf die Jungs aufpassen? Wir haben länger geöffnet, und ich muß so lange dableiben.«
    »Und was ist mit Carmen?« Sie war das Au-pair-Mädchen.
    »Sie hat schon zweimal Babysitting gemacht in dieser Woche.«
    »Meinst du nicht, daß zwei Abende, die du nicht zu Hause bist, für eine Woche reichen? Sehen die Jungen ihre Mutter überhaupt noch, die doch das Sorgerecht für sie hat?«
    Er war verletzt, daß das Gericht ihr automatisch fürs erste das Sorgerecht erteilt hatte. Aber er mußte sich sagen, daß sie schließlich keine Trinkerin war oder die Kinder mißhandelt hätte. Sie war lediglich eine Pfandleiherin.
    »Mike, ich muß schließlich arbeiten, klar?«
    »Hackensack & Co. bedeuten dir mehr als meine Jungen?«
    »Unsere Jungs. Und hör schon auf. Kommst du oder nicht? Erspar mir deine Predigten. Ich habe zu tun.«
    »Ja, ich werde kommen, aber ich schaffe es nicht vor halb sieben.«
    »Ist gut.« Damit legte sie auf.
    Albern, sagte er sich, hier ein ›Dankeschön‹ zu erwarten oder ein ›Wie geht es dir?‹ Fast zwölf Jahre waren sie verheiratet gewesen und waren sich doch völlig fremd. Milly interessierte sich für Dinge, nicht für Menschen. So wie für das Haus in Teaneck, die chinesischen Teppiche, den Mazda. Sie hatte den Amerikanischen Traum zu ihrem Ziel erkoren, allerdings ohne einen Ehemann mit schlechtbezahltem Beamtenjob und unbequemem Idealismus.
    Miguel dagegen hatte seinen Idealismus nie aufgeben können, ebensowenig wie seinen Stolz. Das hatte ihn finanziellen Gewinn, soziale Anerkennung und vor kurzem seine Frau und seine zwei Kinder gekostet. Mit achtunddreißig hielt er sich nicht mehr länger für einen nino ; dafür gab es Tage, an denen er sich fragte, ob er nicht vielleicht loco war. Heute war einer von diesen Tagen.
    Miguel war genau das geworden, was er sich vorgenommen hatte: ein ehrlicher Anwalt, der gegen Unehrlichkeit und Korruption kämpfte. Als Latino war er der Gesellschaft zuerst überaus dankbar gewesen, daß sie ihn akzeptiert und ihm den Zugang gestattet hatte. Er bewunderte die gringos und ihre geordnete Welt. Mit der Zeit jedoch hatte er gelernt, genauer hinzusehen. Reich und privilegiert geboren, nutzten viele ihre bevorzugte Stellung auf unfaire Weise aus. Andere führten ständig Recht und Gesetz im Munde, nur um ersteres zu brechen und letzterem zu entgehen. Wieder andere hielten ihre Mitmenschen zum Narren, die ihrerseits gezwungen waren, sich nach den Spielregeln zu richten. In Puerto Rico gab es einen Baum, dessen dunkelgrüne Blätter bei heftigem Wind ihre weißen Unterseiten aufdeckten. Er wurde Yagrumo genannt. Und genauso pflegten Puertoricaner in New York noch immer einen Heuchler zu bezeichnen. Und noch immer haßte Miguel die Heuchler und Diebe.
    In diesem erbärmlichen Büro der Börsenaufsicht war er der mühsamen Aufgabe nachgegangen, den Finanzhaien von der Wall Street auf die Schliche zu kommen. Eingestellt in der Regierungszeit von Präsident Carter, waren ihm einige Erfolge beschieden gewesen. Aber während der letzten zehn Jahre waren ihm trotz unzähliger Hinweise und Hunderter von nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten diese Fälle immer wieder durch die Finger geschlüpft. Jedesmal war es den gutbetuchten Übeltätern mit den guten Beziehungen gelungen, die richtigen Leute zu schmieren, ihre Spuren zu verwischen und selbst vor der Anklage als Unschuldslämmer dazustehen. Die Reagan-Ära war dem Aufspüren von Korruptionsfällen und der Durchsetzung des Rechts nicht sehr förderlich.
    Der heutige Tag hatte ihm einen weiteren Fehlschlag, eine weitere ›ungerechtfertigte Beschuldigung‹ gebracht. Miguel war es leid. Er sah auf die Fotografie von seiner Frau und seinen beiden Jungs. Sie wohnten jetzt in New Jersey, weit fort von El Barrio. Miguel sah sie nur noch das eine oder andere Wochenende. Er war ein Familienmensch, und er vermißte sie.
    Seit fast fünf Monaten lebten sie nun schon getrennt. Miguel wohnte in einem billigen Studio zur Untermiete und lebte nun wieder von Dosensuppen und schlief auf einer

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