Der Club der Teufelinnen
Angst in ihren Augen. »Er wird anrufen, Brenda. Ganz bestimmt.«
»Aber sicher doch. Hoff du nur auf faire Behandlung. Es ist zum Lachen. So wie Morty mich fair behandelt hat. Eine Scheidung unter Freunden. Welch ein Widerspruch in sich selbst, ganz die dummschlaue Tour. Aber der Widerspruch bin wohl eher ich.« Sie setzte sich schwer auf die Bank neben den Schränken und erzählte Annie von der Aktiengesellschaft und davon, wie dumm sie gewesen war und wie Morty sie übers Ohr gehauen hatte.
»O Brenda, das tut mir so leid! Aber da mußt du etwas unternehmen. Du mußt klagen.«
»Ach ja? Und womit? Anwälte kosten Geld.« Brenda hielt inne. Sie konnte Annie nicht von ihrem Vater erzählen und allem, was sonst noch dazu gehörte. »Ich habe panische Angst vor Gerichten. Und Morty weiß das.«
»Laß nicht zu, daß er daraus Kapital schlägt, Brenda! Ich werde dir das Geld leihen. Oder wir suchen einen Anwalt, der auf Erfolgsbasis arbeitet.«
»Meinst du, das geht?«
»Aber ja. Du mußt unbedingt etwas machen. Das ist ja einfach schrecklich.« Brenda war überrascht und gerührt, als sie Tränen in den Augen ihrer Freundin entdeckte. Himmel, es ging ihr aber nahe.
Da setzte Annie sich neben sie und zog ein Papier aus ihrer Tasche.
»Ich möchte, daß du dies hier liest, Brenda.« Sie reichte ihr Cynthias Brief.
Brenda runzelte die Brauen, als sie den Brief auseinanderfaltete. Sie suchte nach einer Unterschrift.
»Er ist von Cynthia«, teilte Annie ihr mit.
»Aber Cynthia ist doch tot!«
»Sie schrieb ihn kurz vor ihrem Tod.«
Brenda las den Brief und schüttelte den Kopf. »Ein Abschiedsbrief?«
»Es ist mehr als das, Brenda. Es betrifft uns alle.«
8
Bewegte Stunden
Obwohl es erst kurz nach sieben Uhr früh war, war Annie bereits vollkommen erschöpft. Nach Cynthias Selbstmord, dem Wochenende in Boston zusammen mit Aaron und dem gestrigen tränenreichen Abschied Sylvies von Chris würde dieser Tag der schlimmste von allen werden.
Sie hatte bereits alles Notwendige für Sylvie gepackt – und dazu auch jede Menge Unnötiges – und für den Transport bereitgestellt. Ebenfalls vorbereitet war eine Tüte mit belegten Brötchen und Obst. Sie rief noch einmal bei der Garage an, um sicherzugehen, daß Hudson auch wirklich um acht bereit wäre. Sie hatte keinen eigenen Fahrer mehr, aber Hudson war einer jener Besitzer einer großen Limousine, die für einige ›ihrer‹ Damen Chauffeurdienste übernahmen. Diskret und zuvorkommend hatte er Annie zu Einkäufen bei Saks, Mortimer, Kenneth und zu anderen exklusiven Zielen chauffiert. Diese Fahrt jedoch war anderer Art.
Annie hatte eigentlich die Zeitspanne, bevor sie Sylvie wecken mußte, ganz bewußt auskosten wollen. Aber das war nicht möglich. Trotzdem konnte sie sich nicht überwinden, in ihr Zimmer zu gehen. Und so saß sie jetzt in ihrer gemütlichen Küche und versuchte diese letzten Minuten, die ihre Tochter noch bei ihr war, für sich zu bewahren. Es war das letzte Mal, daß alles so war wie immer.
Wenn sie zurückblickte, ergab sich für Annie eine deutliche Zweiteilung ihres bisherigen Lebens. Das waren einmal die ersten siebenundzwanzig Jahre vor der Geburt Sylvies und dann die sechzehn Jahre danach. Es waren nämlich nicht die oberflächlichen Ereignisse wie Examen, Geburtstage und Feste, sondern Geburt, Tod, Liebe und Verlust, die einen – wenn sie einen tief berührten – für immer zeichneten.
Die Geburt von Alex und die von Chris waren wundervolle, herrliche Ereignisse gewesen. Aber das war in jener Zeit, die für Annie ein Traum und nicht das Leben selbst gewesen war. Erst mit Sylvies Geburt war sie aufgewacht. Sylvie bedeutete ein Problem, das weder Zeit noch Geduld oder Gebete beseitigen helfen konnten. Es war dieser Feuersturm aus Wut und Schmerz, Selbstvorwürfen und Scham, der Annie aufwachen und erwachsen werden ließ. Schade nur, daß es nicht schon früher geschehen war. Allerdings hatte sie bei diesem Prozeß einen Sohn und ihren Mann verloren.
Manchmal machte sie sich Sorgen um Alex, ihren gutaussehenden, begabten, strahlenden Sohn. War es wirklich sein Wunsch, Medizin zu studieren? Sie seufzte. Die meisten Mütter wären dankbar, wenn sie einen Sohn hätten, der keine Drogen nahm und mit Auszeichnung Medizin studierte. Annie jedoch befürchtete, daß sich sein Ehrgeiz von jenem gesellschaftlichen Druck nährte, der auch sie einst gefangenhielt.
Und Chris? Würde bei ihm alles glatt verlaufen? Er war das mittlere Kind,
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