Der Club der Teufelinnen
winzigen Raum zum Luftschacht hinaus und ein WC in einem Schrank. Waschen und Rasieren erledigte er am Küchenwaschbecken. Und diese ganze Pracht kostete ihn lediglich eintausendzweihundert Dollar pro Monat.
In seinem Innersten rangen Selbstmitleid und Panik miteinander. In diesem Monat hatte er keine eintausendzweihundert Dollar verdient. Seit seinem Zusammentreffen mit Elise Elliot war in seinem Schreiben eine dramatische Wende eingetreten. Er war regelrecht besessen. Die Zeit war in einem Fieber der Schaffensfreude verflogen. Jetzt hatte er endlich eine konkrete Vorstellung für ein Drehbuch zu einem Film, in dem Elise die Hauptrolle spielte. Er schrieb Tag und Nacht, ohne an irgend etwas anderes zu denken. Weder an seinen Presseausweis, der demnächst wieder einmal ungültig werden würde, noch daran, wovon er seine nächste Miete bezahlen sollte.
Normalerweise gelang es ihm, seinen bescheidenen Bedürfnissen damit zu genügen, daß er lediglich einige Aufnahmen von ein paar Berühmtheiten mit leeren Augen machte und diese an Illustrierte und Klatschblätter verkaufte. Aber er war so besessen gewesen mit Elise und dem Drehbuch, daß er überhaupt nicht an Geld gedacht hatte, bis nun die Mietforderung eingetroffen war. Und Mr. Paley, der Vermieter, war nur zu sehr geneigt, säumige Mieter hinauszusetzen, um so die festgelegten Mietraten weiter steigern zu können, und deshalb alles andere als nachsichtig.
Dieses Drehbuch war gut. Wirklich. Er wußte es. In den letzten Jahren hatte er bereits drei Drehbücher geschrieben, aber das war nur kommerzieller Ramsch gewesen, das heißt, wenn überhaupt.
Auf jeden Fall nicht kommerziell genug, wie er sich sagen mußte. Keines davon hatte den richtigen Biß. Er hatte noch nicht einmal einen Agenten. Was tut man, wenn man pleite ist und einem keiner sein Produkt abnimmt? Diese Frage stellte er sich, als er sich mit dem dünnen, zerrissenen Handtuch abzutrocknen begann. Man wendet sich wieder der Kunst zu. Er schüttelte den Kopf, während er seinen langen, mageren Körper abrieb. Zurück zur Boheme. In den Hafen der Versager.
Mit bloßen Füßen trat er hinüber in seine Schlafecke mit dem schmalen Bett und griff hinauf zu den Kleidern, die darüber an einem Besenstiel hingen, eine Einrichtung, die er seinen Kleiderschrank nannte. Er zog die uralten Stücke herab, die zu seinem besseren Outfit gehörten. So wie er in letzter Zeit die Armut seines Apartments wahrnahm, registrierte er jetzt auch seinen Blazer und die grauen Hosen als das, was sie wirklich waren: abgetragen, abgewetzt und ausgefranst. Das ist einfach kein Leben. Dieser Gedanke verfolgte ihn seit seinem Beisammensein mit Elise.
Er nahm auch ein blaues Oxfordhemd herunter, schnupperte an den Achseln, um zu testen, ob er es noch einmal tragen konnte, und schnitt ein paar Fäden am Hemdkragen ab. Die Mokkassinschuhe waren abgetragen und brauchten neue Absätze. Dazu nahm er einen Gürtel aus schwarzem Schlangenleder, das Geschenk einer früheren Freundin, die ihn mit Angestelltenrabatt bei Bloomingdale's erstanden hatte, als sie dort in der Weihnachtszeit jobbte. Wie lange war das inzwischen her? Drei, vier Jahre? Du meine Güte, seit vier Jahren habe ich mir nicht einmal einen Gürtel gekauft!
Er nahm seine Uhr vom Waschbeckenrand, sie glitt ihm aus den Fingern, fiel hin. Na wunderbar, genau das hatte ihm noch gefehlt. Doch sie tickte noch. Es war schon fünf nach fünf, und er hatte Asa versprochen, um sechs Uhr da zu sein. Verdammt, wenn er schon seinen besten Freund anpumpen mußte, dann konnte er dabei zumindest pünktlich sein.
Er stürmte aus dem Apartment, drehte aber doch den Schlüssel im Doppelschloß. Ein Witz! Was hatte er schon zu beschützen? Einen kaputten Fernseher, dessen Reparatur er sich nicht leisten konnte, und einen alten Plattenspieler. Wer hatte heute noch einen Plattenspieler? CDs waren angesagt. Ich bin so weg vom Fenster, daß ich noch nicht einmal einen Kassettenrecorder habe, der inzwischen auch schon wieder out wäre. Eine ganze technische Generation habe ich verpaßt.
Der Hausflur war schlecht beleuchtet, der Dielenboden knarrte, was allerdings in dem Geschrei aus der Wohnung des Vermieters unterging. Rosie hatte wieder einmal getankt. Sie würde ihm demnach weder heute noch morgen wegen der Miete kommen. Mit etwas Glück hielt der Rausch drei Tage vor.
Draußen fühlte er sich gleich besser, gleichsam der bedrückenden Armut entkommen. Herbst in New York. Die Gingko-Bäume
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