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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Pilzes einsetzte.

    »Ich weiß nicht, wo dieser Ketzer ist«, verriet ihnen Herr Friedbart nach einer Weile mit glänzenden Augen. Auf allen vieren kam er an das Gitter gekrochen wie ein zutrauliches Tier, das gestreichelt werden wollte.
    Ben verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um ja nicht in Versuchung zu kommen, ihm über das Haar zu streichen. Alle Angst schien den Ritter verlassen zu haben. »Tagelang haben wir ganz Vierzinnen auf den Kopf gestellt, doch es half nichts; er blieb spurlos verschwunden. Niemand sprach mit uns, und seine Füße hatten im Fels keine Abdrücke hinterlassen. Aber heute, heute könnte ich seine Fährte riechen. Ich könnte den Nachhall seiner Schritte hören, so klar sind meine Ohren jetzt, ja, ich könnte seine unsichtbaren Abdrücke sogar schmecken.« Unvermittelt leckte Friedbart mit der Zunge über die groben Dielen des Käfigbodens, auf dem noch immer Fruchtreste klebten. Dann sah er sie sabbernd wie ein Hund an. »Hier war er sicher nicht.«
    »Was machen die Pilze mit ihm?«, raunte Ben, der nicht wusste, ob er angewidert sein sollte oder lachen.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Yanko. »Vielleicht kommt ihre Wahrheit derjenigen in die Quere, die im Wein stecken soll. Er hat ja auch getrunken.«
    »Uns interessiert nicht, was du nicht weißt«, sagte Nica, während sie Friedbart streng musterte. »Sag uns, was du siehst.«
    »Was ich sehe?« Friedbart hechelte Nica an, umschloss zwei Gitterstäbe mit den Händen und reckte ihr sein Gesicht so weit wie möglich entgegen.
    »Ja. Vertraue dem Pilz. Was hat Herr Arthen vermutet, was meinst du, wo steckt Norkham? Denk nicht nach, lass einfach die Bilder in deinen Kopf«, befahl Nica. »Und mach Sitz.«

    »Ich sehe ihn! Ich sehe ihn!« Gehorsam setzte sich Friedbart und strahlte Nica an. »Einsam und verlassen rennt er durch einen dichten Wald und ernährt sich von fingergroßen, grünhäutigen Gnomen, die er von Sträuchern mit flüsternden Blättern und großen blutigen Dornen pflückt. In einen schwarzen Kapuzenmantel gehüllt, flieht er vor Ordensrittern in strahlenden Rüstungen. Oder folgt er ihnen? Ich weiß es nicht, sie rennen wohl im Kreis. Auf den Bäumen sitzen bunte Vögel mit den Gesichtern schöner Frauen und singen durcheinander. Eine behauptet, ein verzauberter Drache zu sein und will geküsst werden, und dann springt sie von ihrem Ast, der plötzlich vertrocknet ist, direkt in einen Fluss aus goldenem Honig und lässt sich davontreiben, und Norkham schwimmt ihr nach, und die Ritter werfen sich auf ihre Schilde und in den Fluss und staksen mit langen Schwertern hinterher, über zahllose Honigfälle unter einem leuchtenden Sternenhimmel, und jeder Stern ist das glitzernde Auge einer haarigen Spinne, und ihre ineinander verflochtenen Beine sind die Schwärze der Nacht, die jeden Morgen von Hellwahs Feuer verbrannt wird, und der Honig fließt durch ein riesiges Fischernetz, das von einem schrecklichen Giganten gehalten wird. Er besteht aus Tausenden ineinander verkeilter, lachender Kinder. Fängt ein Kind an zu weinen, wird es in den Honigfluss gestoßen und treibt hinaus auf ein endloses bernsteinfarbenes Meer, in dem der Honig zu riesigen glitzernden Wellen erstarrt. Über das Meer fegen Wirbelstürme aus dem vielstimmigen schrillen Lachen des Kindergiganten hinweg, doch sonst weht kein Wind. Gar keiner!«
    Der Ritter hatte zum Schluss hin immer schneller gesprochen und atmete jetzt schwer, als wäre er weit gerannt. Seine
glasigen Augen waren auf Nica geheftet, als erwarte er Lob. Oder einen Knochen.
    »Das war’s?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Hast du mir sonst noch etwas mitzuteilen?«
    »Ich habe schon zahlreiche Jungfrauen gerettet und unzählige versklavte Drachen befreit, selbst einen mit sieben Flügeln, gegen den kämpfte ich sogar mit brennendem Fieber und einer knapp über dem Heft abgebrochenen Klinge. Ich bin ein vielbesungener Held, doch leider ging mir kürzlich meine Jungfrau abhanden. Wollt Ihr ihren Platz einnehmen und mein schöner Köder für die von Samoth versklavten Geschöpfe sein?«
    »Nein.« Nica verzog das Gesicht und befahl: »Leg dich einfach hin und sei ruhig.«
    Der Ritter gehorchte hechelnd.
    »Das soll die Wahrheit sein?«, fragte Ben. »Dass er ein Hund ist, der von Honigflüssen träumt?«
    »Einen Versuch war es wert«, brummte Yanko.
    »Ich denke, er hat zumindest zu Beginn die Wahrheit gesagt«, vermutete Ben. »Der Orden hat keine Ahnung, wohin Norkham geflohen

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