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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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lieblicher Fluss, dass selbst die Fischfeen aus dem Meer manchmal seinem, Lauf hinauffolgen, um an seiner Quelle im Mondlicht zu singen.«
    »Fischfeen?«
    »Ja. Das sind kleine Wesen, halb flügellose Fee, halb Fisch, die in Gruppen im Meer leben und gern den großen Segelschiffen folgen und ihren Schabernack mit den Seeleuten treiben. Nur bei Vollmond werden sie von tiefer Traurigkeit und einer Sehnsucht nach Schönheit ergriffen, dass sie die ganze Nacht über singen. Wer diese Lieder hört, wird von einem tiefen Fernweh gepackt, das schon manchen von einem Augenblick zum nächsten dazu getrieben hat, auf dem nächstbesten Schiff anzuheuern und alles hinter sich zu lassen.«
    »Und du willst, dass wir diese Lieder hören?« In Yankos Blick standen deutliche Zweifel, ob er diese ganze Geschichte überhaupt glauben sollte. Doch er grinste. »Willst du uns loswerden, indem du uns irgendwo anheuern lässt?«
    »Sie sind wirklich wunderschön. Und mit einem starken Willen kann man ihnen auch widerstehen.«
    Den halben Nachmittag lang erzählte Aiphyron von den unterschiedlichsten Ländern, auch solchen, die sich weit jenseits der großen Ozeane befanden. Bei vielen wusste er nicht allzu viel über die dort lebenden Menschen und ihre Vorstellungen von der Welt. Doch er wusste, wo er nicht gejagt wurde, wo schon, um ihm die Flügel zu stützen oder einfach aus Angst.
    »Vor deiner Größe«, sagte Yanko in dem Tonfall, mit dem er häufig ein Wortgeplänkel einleitete.

    Aiphyron nickte und warf ihm einen lauernden Blick zu. Er erwartete den Angriff.
    »Du bist ja auch ein großer Brocken«, sagte da der Flügellose mit schwerer Stimme.
    »Was?« Alle Köpfe wandten sich ihm zu.
    »Um genau zu sein: Du bist ein verdammt schwerer Brocken. Ich weiß das, schließlich hast du dich auf mich gesetzt.« Der Drache zeigte ein vorsichtiges Grinsen.
    Alle lachten. Sie waren froh, dass der Drache seine Fähigkeit zu sprechen endlich wiedererlangt hatte. Ben fragte ihn nach seinem Namen.
    »Krawinyjan.«
    »Oh.« Ben sah ihn verlegen an. »Ich hab’s nicht ganz verstanden, tut mir leid.«
    »Krawinyjan«, wiederholte der Drache, langsamer diesmal.
    »Gut. Alles in Ordnung, Krawinyjan?«
    »Ja, danke. Danke für das hier.« Er kreiste die Flügelstumpen. »Und das, was hoffentlich noch nachwachsen wird.«
    »Keine Ursache.«
    »Wir hatten ja schließlich geschworen, dir zu helfen.« Yanko lachte.
    »Mir? Kennen wir uns?«
    »Äh, nein.« Ben schüttelte den Kopf.
    »Na ja«, sagte Yanko. »Vor allem wollten wir dem Norkham eins auswischen.«
    »Vor allem wollten wir dich befreien«, berichtigte Ben scharf. »Den Hohen Norkham wollten wir außerdem noch ärgern.«
    »Welchen Norkham?«, fragte Krawinyjan.

BÖSE ÜBERRASCHUNGEN
    B en starrte den Drachen an und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, dass Krawinyjan den Hohen Norkham nicht kannte. Eine der Wolken wanderte vor der Sonne vorbei, und die Luft wurde merklich kühler. Hatten die Ritter sogar diese Erinnerung aus seinem Kopf getilgt, als sie ihm die kläglichen Überreste der Flügel ein weiteres Mal gestutzt hatten? Oder was hatte der feine Herr Arthen sonst mit ihm angestellt?
    »Norkham! Das ist der, der dich jahrelang unterdrückt hat!«, rief Nica. In ihrer Stimme schwang noch immer Hass auf den toten Ketzer mit.
    »Wieso jahrelang?«
    »Nicht?«
    »Der Bursche hat mich erst seit ein paar Tagen sein Eigen genannt. Und er hieß Erlon, nicht Norkham.«
    »Ja, der. Aber davor!«
    »Davor? Davor war ich frei! Bis ich vor drei oder vier Wochen eine gefesselte, strahlend blonde Jungfrau von einem Pfahl erretten wollte, an den sie gekettet war, und dabei hinterrücks von zwei Rittern angegriffen wurde. Schneller, als ich zuschnappen konnte, hatten sie mir die Flügel abgeschlagen, und aller Widerstand erlosch in mir. Alles Glück, das Gefühl, frei zu sein und lebendig. Es war schrecklich.«
    Fluchend schloss Ben die Augen. Von wegen Schwur erfüllt! Sie hatten den falschen Drachen. Doch wie war das möglich? Dies war der Drache, der dem langbeinigen Sieger
der Jagd im Reinen Bach überantwortet worden war. Sie hatten den dünnen Burschen doch gesehen! Und selbst Norkham war hinter ihm her gewesen. Wieso hätte er sich für einen beliebigen fremden Drachen hängen lassen sollen?
    Ben fröstelte. Gedankenverloren blickte er in den Himmel, ob inzwischen weitere Wolken aufgezogen waren. Doch der schmale Streifen über der Lichtung, der nicht durch Laub verdeckt wurde, war

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