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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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O’Hanrahan.
    »Es sind doch nur ein paar Spritzen«, hatte er sie beim Frühstück beruhigt. »Stellen Sie sich nicht so an! Ihr Arm wird ein paar Stunden weh tun, und dann geht es Ihnen wieder gut. Das ist viel beunruhigender …« Er zeigte ihr die Schlagzeilen: Der Irak war in Kuwait einmarschiert. Lucy hätte im Augenblick nichts weniger interessieren können, obwohl sie registrierte, daß jede Zeitung, ob arabisch, hebräisch oder englisch, schreiende Schlagzeilen über mögliche internationale Konsequenzen trug. Würde Israel in die-se Geschichte hineingezogen werden, fragte ein Leitartikel. Lucy starrte unfreundlich auf die Zeitungen. Hoffen wir jedenfalls, daß wir schon fort sind, bevor diese Frage beantwortet wird, dachte sie nur. Ihr linker Arm war im Augenblick viel wichtiger – er begann bereits leicht fiebrig zu pochen. Lucy wusste , daß jetzt ein paar Erreger von jeder dieser mörderischen Krankheiten in ihrem Körper herumschwammen. Richtig, David McCall hatte gesagt, die Typhus impfung sei höllisch.
    »Ich will überhaupt keine Spritze«, hatte sie heute Morgen entschlossen zu O’Hanrahan gesagt.
    »Na gut, aber wenn wir Erkundungen in Klöstern am Nil anstellen und die Moskitos stechen, dann weinen Sie mir nichts vor, wenn Sie Gelbfieber bekommen. Im Übrigen haben Sie dann gar keine Tränen mehr, weil Ihrem von Krämpfen und Entzündungen gemarterten Körper bei 41 Grad Fieber jeder winzige Tropfen Feuchtigkeit entzogen sein wird …«
    »Schon gut«, hatte sie nachgegeben.
    Jetzt wollte sie nur noch zurück ins König David und in ihr Bett krabbeln, wo sie sich vorzugsweise auf die rechte Seite legen würde. Gegen alle Vernunft hob sie den pulsierenden, schmerzenden Arm, um zu sehen, ob er noch so weit funktionsfähig war, daß sie ein Taxi herbeiwinken konnte. Ihr wurde klar, daß sie bei der kleinsten Bewegung leiden würde. O’Hanrahan fragte gerade an der Rezeption nach, ob Anrufe für ihn gekommen seien, als Lucy ihren Schlüssel holte. »Na, wie geht’s unserer Patientin?« fragte er fröhlich.
    »Sie bedauert, Ihnen jemals über den Weg gelaufen zu sein«, erwiderte sie und rieb sich die Schulter. »Die einzig mögliche Entschädigung wird vermutlich sein, daß ich es miterlebe, wenn Sie dieselben Impfungen bekommen.«
    »Ich habe die meisten schon hinter mir«, erklärte er munter. »Haben Sie auch Malariatabletten bekommen?« Sie nickte – sogar das tat ihrem Arm weh.
    »Sehen Sie nur, wer sich immer wieder meldet«, sagte O’Hanrahan und zeigte ihr eine der Nachrichten.
    Lucy sah auf das rosa Notizpapier: Gabriel O’Donoghue. Er war um 11.36 Uhr im Hotel gewesen. Lucy warf einen Blick auf die Uhr an der Rezeption: 11.45 Uhr. »Er muss noch in der Nähe sein«, sagte sie.
    »Ja, und deswegen flüchte ich jetzt in die Bibliothek.«
    »Wie ist es gestern Abend gegangen?«
    Er lächelte und klopfte auf seine Mappe. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, daß der Matthias in einer Form der meroïtischen Schrift geschrieben ist. Morey und ich haben diese Sprache früher als Möglichkeit ausgeschlossen, aber ich bin jetzt wieder darauf zurückgekommen. Es gibt zu viele Ähnlichkeiten, etwa die Doppelpunkte, die die Wörter voneinander trennen. Alle Buchstaben stimmen überein.«
    »Wo liegt dann noch das Problem?«
    »Niemand hat Meroïtisch bisher entziffert. Es ist eine der großen verlorengegangenen Sprachen der Welt. Einer der Gründe, warum Morey und ich das Meroïtische ausgeschieden haben, war der, daß Rabbi Rosen diese Schriftrolle nach ungefähr einer Woche lesen konnte, und es ist doch schwer zu glauben, daß er eine geheimnisvolle Sprache, an deren Entschlüsselung Gelehrte seit hundert Jahren gearbeitet haben, übersetzte, ohne es jemandem zu sagen. Aber vielleicht hat er das doch getan.« O’Hanrahan bemerkte, daß Lucy wie gebannt auf einen riesigen Gummibaum starrte. Er brach ab und sah in dieselbe Richtung. Mit rotem Gesicht kam Clem Underwood hinter den Blättern hervorgewatschelt, als ob er spioniert hätte. »Hehe, so was, na so was.« Lucy und O’Hanrahan starrten ihn an. »Lange nicht gesehen, wie? Was machen Sie hier?« O’Hanrahan und Lucy sahen auf den etwa einen Meter fünfzig großen Clem Underwood hinunter, den Botschaftslakaien, den sie von ihren Abenteuern in Griechenland her kannten.
    Diesmal trug er einen hellbraunen Anzug, der ebenfalls schlecht saß, offenbar ein Anzug von der Stange, den man geändert hatte und von dem er nun meinte, er sehe aus wie

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