Der Duft der roten Akazie
schaffen. Harvey erledigt den Rest.«
Wirklich?, fragte sich Ella, während sie aus dem Zelt kroch, um mehr Wasser zu kochen. Sie war Harvey zwar einmal kurz begegnet, konnte ihn sich aber nur schwer als Krankenschwester vorstellen.
Nachdem Ella fertig war, legte sie die Verbände nach Möglichkeit wieder so an, wie Doktor McCrea es im Lazarett getan hatte. Adam gab zwar während der Prozedur keinen Mucks von sich, doch sie wusste, dass es sicher schmerzhaft war.
»Entschuldige, dass ich dir wehtun muss«, sagte sie schließlich. Obwohl sie am liebsten geweint hätte, beherrschte sie ihre Miene und weigerte sich, dem Gefühl nachzugeben. Adam brauchte eine starke Frau, an die er sich anlehnen konnte, so wie sie es so lange bei ihm getan hatte. Er brauchte … Schließlich verzerrten sich ihre Züge dennoch, und sie wandte sich unvermittelt ab, um ihre Tränen zu verbergen.
»Alles wird gut«, flüsterte er, und sie spürte seine Hand an der Schulter. »Ich werde es überleben. Als der Franzose mich aufgeschlitzt hat, hatten sie mich schon aufgegeben, und ich bin trotzdem durchgekommen. Auch Moggs hat sein Bestes getan, um mir den Garaus zu machen, und ich bin nicht daran gestorben.«
»Noch nicht«, entgegnete sie spitz, fühlte sich jedoch beruhigt.
»In zwei Tagen haben wir die Tea-Tree-Farm erreicht und …«
»Nein!« Sie drehte sich zu ihm um und wischte sich mit einer unwirschen Bewegung die Wangen ab. »Wir rühren uns nicht von der Stelle, bis du dich besser fühlst. Wir bleiben hier, und das meine ich ernst, Adam.«
Er runzelte die Stirn. »Sicher gehört dieses Land jemandem. Man könnte uns wegjagen oder die Polizei holen.«
»Das ist mir gleichgültig. Wenn sie uns wegjagen, gehen wir eben. Doch bis dahin bleiben wir.«
Er blickte ihr in die Augen, in denen sich Zorn und Angst stritten. Sie merkte ihm an, dass er überlegte, ob es ihm gelingen könnte, sie umzustimmen. Schließlich seufzte er, und ein vertrautes Grinsen spielte um seinen Mund. »Meinetwegen, Cinderella. Einen Tag, aber nicht länger.« Seine Augen wurden schmal. »Und jetzt komm und leg dich neben mich.«
Ich sollte es nicht tun, dachte Ella. Er ist verletzt und braucht Schlaf. Ich muss draußen nach dem Feuer und nach den Pferden sehen und … Dennoch kroch sie zu ihm hinüber und ließ sich vorsichtig neben ihm nieder. Er schlang den Arm um sie und zog sie an sich, bis sie ein Teil von ihm zu sein schien. Ella spürte seinen zufriedenen Seufzer im Haar.
Bald verriet ihr sein regelmäßiger Atem, dass er schlief. Ella berührte seine Wange. Sein Bart fühlte sich unter ihren Fingern rau an. »Ich darf dich nicht verlieren«, flüsterte sie. »Du bist alles, was ich habe.«
Ella wachte sehr früh auf. Sie öffnete die Zeltklappe und spähte hinaus. Der Himmel hatte aufgeklart, und die Sonne gab sich redlich Mühe. Ihre Strahlen glitzerten im feuchten Gras und auf den Blättern. Ein Vogel flötete eine ruhige Melodie.
Adam schlief noch in seine Decken gekuschelt. Ella stützte sich auf den Ellbogen und beobachtete ihn schweigend. Sein Gesicht wirkte nicht mehr so eingefallen wie am Vortag, und er machte einen entspannteren Eindruck. Während sie ihn ansah, huschte kurz ein unwilliger Ausdruck über sein Gesicht und war wieder verschwunden. Seine Finger zuckten.
Er träumte. Ella fragte sich, wovon. Sie dachte an ihre eigenen Träume, schloss schaudernd die Augen und erinnerte sich daran, wie Ned an Seaton’s Lagune ermordet worden war. Ob ihre Vergangenheit wohl zurückkehren würde, da sie nun über Neds Tod Bescheid wusste? Sicher war der Mord das schreckliche Ereignis gewesen, das sie daran gehindert hatte, sich zu erinnern.
Vorsichtig erkundete Ella ihr Gedächtnis, um herauszufinden, worauf sie stoßen würde. Doch da war nichts weiter als ein tiefer Tunnel. Ella stellte ihn sich wie einen Brunnen vor. Wenn sie hinunterschaute, sah sie nichts. Er war so tief, dass nicht einmal ein Lichtfunke die Geheimnisse auf seinem Grund erhellte.
»Guten Morgen.«
Erschrocken schlug Ella die Augen auf. Adam war aufgewacht und betrachtete sie. Und lächelte.
Sie spürte, wie ihre Lippen das Lächeln erwiderten. »Guten Morgen.«
Er streckte die Hand aus, zögerte, legte sie um ihren Nacken und zog sie sanft zu sich hinunter. Eigentlich wäre Widerstand angebracht gewesen, aber sie tat nichts. Im nächsten Moment streifte sein Atem heiß ihre Kehle, seine Lippen berührten dieselbe Stelle, und Widerstand war das Letzte geworden,
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