Der Duft der roten Akazie
lächelte. »Gut, Sie haben sie gesehen, Mr McLeod. Sie brauchen uns nur das Geld zu übergeben, dann gehört sie Ihnen.«
Er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. »Derartige Summen trage ich nicht mit mir herum. Sie müssen zu mir nach Hause kommen.«
Nancy nickte zustimmend. In ihrem Gesicht stand eine Mischung aus Bewunderung und Ehrfurcht. Das also ist Ollie McLeod, schien sie sich zu sagen. Der mächtigste Mann in Sydney.
An der Tür drehte er sich noch einmal zu Ella um. Neugier funkelte in seinen kalten Augen. »Man hat mir berichtet, du hättest alles vergessen. Stimmt das?«
»Ja«, flüsterte Ella und fügte, kühn geworden vor Verzweiflung, hinzu: »Ich habe mir inzwischen ein neues Leben geschaffen. Gib mich frei.«
»Dich freigeben?«, wiederholte er verwundert. »Du bist meine Frau, Eleanor. Ich gebe dich niemals frei.«
Sie wirbelte zum Fenster herum und hörte, wie sich die Tür hinter ihr schloss. Die Schritte verhallten. Sie starrte stumpf durch die Scheibe. Ollie McLeod hatte etwas Dunkles und Böses ins Zimmer gebracht und dort zurückgelassen. Mit zitternden Händen umklammerte sie das Fensterbrett.
Ella beobachtete, wie Ollie McLeod und Nancy Ure die Treppe hinunterstiegen. Sie gingen schnell. Der Wind zerrte an Nancys Rock und den Säumen ihres Umhangs. Sie kamen an dem Haus vorbei, wo der Mann noch immer im Schatten stand. Er hatte den Jackenkragen hochgeklappt und die Hände in die Taschen gesteckt und lehnte sich mit gesenktem Kopf an die Mauer, als suche er Wärme. Er schien zu schlafen.
Als Nancy ihn passierte, hielt sie kurz inne und sah sich um. Doch Ollie war schon ein Stück voraus, und sie hastete ihm hinterher, um ihn einzuholen. Der Mann richtete sich auf und blickte ihnen nach.
Adam.
28
Am liebsten hätte Ella laut gerufen und mit den Fäusten gegen das Fenster geschlagen. Aber schon im nächsten Moment wurde ihr klar, dass das unmöglich war. Sie würden unten den Lärm hören und nach dem Rechten sehen.
Und dennoch konnte sie nicht untätig verharren. Ella schaute sich um und dann nach unten. Die Spitzen ihrer Stiefel lugten unter ihrem Rock hervor. Es waren dieselben Stiefel, die sie auch als Mann getragen hatte, denn Nancy hatte sich nicht erboten, ihr ein Paar Schuhe zu leihen. Die Stiefel waren dick und derb. Ella setzte sich und zog einen davon aus.
Adam stand noch auf der Gasse. Allerdings war er nicht mehr allein. Die beiden Seeleute, die Ella vorhin bemerkt hatte, waren bei ihm. Die drei standen ins Gespräch vertieft. Ella zögerte. Sollte sie es trotzdem tun? Sie befürchtete, dass Adam anderenfalls gehen könnte. Vielleicht hatte er die Seeleute ins Shipwreck geschickt, um die Lage auszukundschaften. Und nun teilten sie ihm mit, sie sei nicht dort.
Sie zielte mit dem Stiefelabsatz und zerschmetterte die mittlere Scheibe mit einem gewaltigen Knall. Sie zerbrach sofort in tausend Scherben, die sich über den Boden und das Bett ergossen. Draußen landeten Glasstücke klappernd auf der Treppe.
Ella hielt das Gesicht so nah wie möglich an die zerbrochene Scheibe. Kalte Luft schlug ihr entgegen, sodass ihr die Augen tränten. Sie blinzelte, um wieder klare Sicht zu haben.
Adam blickte sie an. Sie wollte seinen Namen rufen, brachte aber keinen Ton heraus. Er lächelte. Sie stand am Fenster, betrachtete ihn und wünschte, sie wäre klein genug, um sich durch das Loch in der Fensterscheibe zu zwängen und zu ihm hinunterzufliegen. Sie wollte ihm alles erzählen, was sie erfahren hatte, sich an ihn klammern und ihn nie wieder loslassen.
Plötzlich hörte sie, wie sich jemand der Tür näherte.
Ella wich zurück, stieß gegen das Bett und setzte sich unfreiwillig. Ihre Hand fühlte sich schwer an. Sie schaute sie an und stellte fest, dass sie noch ihren Stiefel festhielt.
Quietschend wurde der Riegel zurückgeschoben. Mit zitternden Händen zog Ella den Stiefel wieder an. Im selben Moment riss jemand die Tür auf.
Eben stand keuchend vor ihr. Er musterte das Fenster und die Glasscherben. Durch das Loch wehte kalte Luft ins Zimmer und trug den Geruch nach Meer und Regen heran.
»Was soll das?«, fragte er zornig.
Ella zwang sich, mutig und trotzig das Kinn zu recken. »Ich brauchte frische Luft. Deshalb habe ich das Fenster aufgemacht.«
Ein argwöhnischer Ausdruck trat in seine dunklen Augen. Eben trat ans Fenster und spähte hinaus. Mit angehaltenem Atem beobachtete Ella seinen Rücken und wartete auf einen Ausruf des Erkennens oder eine
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