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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Dschungel gesessen hatte. Andrés winkte ihr zu, trat zu ihr und sank in die Hocke. Er konnte seinen Körper wieder mühelos bewegen, wie sie staunend feststellte.
    »Hier, iss das! Von den Tortillas allein werden wir uns auf Dauer nicht ernähren können.«
    Er überreichte ihr eines der gekochten Rieseneier. Alice entfernte die Schale. Das Eigelb war weich, erinnerte vom Geschmack her in etwa an ein Hühnerei und füllte ihren Magen. Sie wischte sich den Mund ab und leerte ihren Wasserbecher.
    »Wir sollten baldmöglichst aufbrechen. Vielleicht kommen die Capataces zurück«, sagte Andrés nach dem Frühstück.
    »Wer ist das, die Capataces?«
    »So heißen die Aufseher der Monterías«, antwortete er knapp, ohne ihr dabei ins Gesicht zu sehen. Stattdessen musterte er kurz ihre Hände.
    »Die Dornen können sich entzünden. Sie sollten herausgezogen werden«, erklärte er. Alice wollte ihn schnippisch fragen, wie sie dies ohne eine Pinzette bewerkstelligen solle, da war er auch schon im Dschungel verschwunden, um bald darauf mit einem anderen Dorn in der Hand zurückzukehren. Es gelang ihm tatsächlich, die Fremdkörper zu entfernen, auch wenn die Prozedur etwas schmerzhaft war. Danach half Alice ihm, die wenigen herumliegenden Utensilien einzupacken, und kletterte ins Boot, das bereits auf den Wellen schaukelte. »Die Capataces können uns auf dem Wasser sehen«, wandte sie ein, während er das Boot zur Flussmitte lenkte. Sie teilte seinen Wunsch, diesen Kerlen nicht mehr zu begegnen.
    »Das stimmt. Aber sie sind mit Pferden unterwegs und ziehen nicht immer am Ufer entlang. Wir müssen die üblichen Rastplätze und Hütten meiden.«
    Alice nahm es hin, war im Grunde erleichtert, dass er ihr in dieser fremden Welt die Entscheidungen abnahm.
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie.
    »Tiefer in den Dschungel hinein, mitten ins Reich der Mahagonibäume. Manuel hat gesagt, dass dieses Volk, bei dem seine Schwester jetzt lebt, sich dort aufhält. Wir werden sie wahrscheinlich nicht finden und können nur hoffen, dass sie freiwillig mit uns Kontakt aufnehmen.«
    Alice zweifelte, dass sie dies tun würden, denn welchen Grund hätten diese wilden Indios, ein paar Fremden zu vertrauen.
    »Wäre es nicht besser umzukehren?«, fragte sie zaghaft. »Findest du zurück in Manuels Dorf?«
    Erleichtert sah sie ihn nicken.
    »Ich denke, ich würde den Weg aus dem Dschungel herausfinden, wenn auch nicht in das Dorf. Ich habe schon als Kind gelernt, mich an den Gestirnen zu orientieren. Aber ich will nicht umkehren, bevor ich weiß, was mit Patrick geschehen ist.«
    Seine Hände umklammerten die Ruder auf einmal so heftig, dass die Adern und Sehnen an ihnen hervortraten.
    »Sie wollten es mir anhängen«, murmelte er. »Aber ich glaube, Hans Bohremann steckt da selbst mit drin. Für ihn sind wir doch nichts weiter als dreckige Indianer, und wer uns unterstützt, ist fast schon einer von uns.«
    Alice erschrak. Sie hatte ihn noch niemals so bitter sprechen hören. Wo war der kluge, stille, rücksichtsvolle Mann geblieben, den sie in Palenque kennengelernt hatte? Sie fragte sich, ob in der Zeit, als er hilflos an einem Baum hing, etwas in ihm zerbrochen war.
    »Was ist gestern geschehen?«, wagte sie ihn endlich zu fragen. »Wo ist Manuel?«
    Er starrte eine Weile stumm auf das Wasser hinaus. Erst als sie die Hoffnung schon aufgegeben hatte, dass er über seine Erlebnisse sprechen würde, wandte er sich ihr wieder zu. Die Schwellungen waren zurückgegangen, doch seine linke Wange wurde durch einen bläulichen Fleck entstellt, und auf der Stirn war eine verkrustete Schnittwunde zu sehen. Der Anblick versetzte ihr einen Stich. Sie wollte die Hand heben und über sein Haar streichen, wagte es aber nicht.
    »Manuel haben sie mitgenommen«, sagte er. »Er verhielt sich so, wie sie es von einem Indio erwarten, soff, stellte Unsinn an und bettelte dann um Erbarmen. Sie haben ihm mehr Aguardiente in Rechnung gestellt, als jemals in diese Hütte gepasst hätte, und nun soll er seine Schulden in der Montería abarbeiten, was bis an sein Lebensende dauern wird. Er widersprach nicht, zeigte sich sogar dankbar, dass sie ihn nicht gleich erschlugen.«
    Alice musterte eine Weile das ruhige Gewässer. Sie dachte an Manuels junge, hübsche Frau und seine zwei Töchter und war sich nicht mehr sicher, ob sie ihn trotz all seiner Fehler nicht doch vermissen würden.
    »Warum nahmen sie dich nicht auch mit?«, fragte sie schließlich. Sie hörte ihn lachen

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