Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
auf den Schreibtisch zurück und verließ das Krankenhaus, ging hinaus zu Mr Barlow, der in seinem Laster auf mich wartete.
SIEBEN
I n Tanger hielt ich mich eine Woche auf. Offensichtlich verbreiteten sich Neuigkeiten in den gewundenen Gassen der geschäftigen Souks in Windeseile. Denn abgesehen von Elizabeth Pandy hatte ich nur Omar, dem Pagen, gegenüber verlauten lassen, dass ich einen Fahrer mit Wagen suchte, um nach Rabat zu gelangen. Es dauerte nicht lange, und eine Reihe Männer erschien an der Eingangstür des Hotels Continental. Dort wurden sie vom Portier aufgehalten, der ihnen den Zutritt zur großen Lobby verwehrte. Stattdessen mussten sie draußen warten, bis man mich geholt hatte, um mit ihnen zu sprechen.
Die meisten von ihnen erwiesen sich auf Anhieb als untauglich für mein Vorhaben, besaßen sie doch keinen Wagen. Sie nahmen wohl an, ich würde einen beschaffen, doch ich erklärte ihnen, entweder auf Französisch oder mithilfe Omars, der auf Arabisch dolmetschte, dass ich nicht die Absicht hatte, einen Wagen zu erwerben.
Ich brauchte einen Fahrer mit Wagen, betonte ich wieder und wieder.
Während dieser Tage lernte ich eine Menge über die Überzeugungskunst der Nordafrikaner. Einige behaupteten, sie hätten einen Cousin mit Auto; andere meinten, sie würden jemanden für mich finden, der einen Wagen hatte. Einer erklärte gar, er könne zwar noch nicht Auto fahren, würde es aber bestimmt rasch lernen. Einige wenige besaßen ein Fahrzeug oder aber hatten eines geliehen. Doch sobald sie mir mit stolzgeschwellter Brust ihr Automobil zeigten, lehnte ich höflich, aber bestimmt ab und sagte, dass der Wagen gewiss nicht in Frage komme.
Einige der Gefährte waren so rostig, dass kaum mehr etwas von dem Boden übrig war; die meisten hatten weder Türen noch Dach. Die Reifen waren so abgefahren, dass sie eine Gefahr darstellten. Einer der Burschen war so einfallsreich gewesen, kurzerhand zwei Esel vor einen Wagen ohne Motor zu spannen.
Die frühsommerlichen Tage waren warm, und die Luft duftete nach Orangenblüten. Dennoch war ich von Enttäuschung und Angst überwältigt. Jeder Tag, an dem ich nicht in Richtung Marrakesch aufbrach, war ein verlorener Tag. Wenn ich es mal wieder nicht ertragen konnte, untätig in meinem Hotelzimmer oder in der Lobby zu sitzen, begab ich mich zu Le Grand Socco – dem großen Platz. Der Portier hatte mir gesagt, dass man sich tagsüber bedenkenlos auf den großen Plätzen aufhalten könne; in die Souks sollte ich mich jedoch besser nicht auf eigene Faust wagen und das Hotel bei Dunkelheit erst gar nicht allein verlassen. Auch riet er mir, den Petit Socco zu meiden, weil dieser Platz das Zentrum der Prostitution war oder zumindest ein anrüchiger Ort, wie ich seiner Miene und dem abfälligen Schnauben entnahm, als er von den » schlechten Frauen« sprach, von denen es dort wimmelte.
Auf dem Grand Socco herrschte im blendenden Sonnenlicht ein dichtes Menschengedränge, vornehmlich von Briten und Amerikanern, denn hier gaben sich die Touristen in Tanger ein Stelldichein. Elegant gekleidet, saßen sie unter Sonnensegeln oder auf Caféterrassen und aßen oder tranken grünen Absinth oder purpurroten Wein aus kleinen Gläsern. Die Frauen rauchten Zigaretten oder dünne, dunkle Zigarillos mit dekorativen Mundstücken. Die Männer rauchten Zigarren oder sogen an den Mundstücken von shishas, wie die Wasserpfeifen mit ihren großen Glasbehältern und langen Schläuchen genannt wurden, die auf dem Boden standen. Viele rauchten auch kif – Haschisch –, das einen unverwechselbaren süßlich grasigen Geruch verströmte, ein Rauschmittel, das den Rauchern einen schläfrigen, zufriedenen Gesichtsausdruck verlieh. Die Geschäfte auf den Plätzen priesen ihre Waren auf Schildern mit englischer, französischer und spanischer Beschriftung an, und die Touristen kauften Souvenirs zu überhöhten Preisen. Eine Ferienstimmung, vermischt mit der trägen Atmosphäre des Laisser-faire – wie Elizabeth es angedeutet hatte –, herrschte unter diesen Männern und Frauen, die aus ganz bestimmtem Grund nach Tanger gekommen waren: weil man in dieser Stadt das Gefühl hatte, alles sei erlaubt. Mir fiel auf, dass einige Frauen weitaus freizügiger gekleidet waren, als ich es je gesehen hatte, und manchmal bemerkte ich unbeabsichtigt, wie eine dieser Frauen eng an einen Mann – oder auch eine Frau – geschmiegt in einem Eingang stand. Jedes Mal wandte ich den Blick ab, und doch war ich
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