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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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regeln lassen. Carl erbot sich, schon am nächsten Tag loszufliegen. Als er sich erhob, um zu gehen, erhielt er einen langen, grübelnden Blick des Ministerpräsidenten, der Carl den klaren Eindruck vermittelte, daß der Regierungschef sehr wohl wußte, wie sich alles abgespielt hatte. Er wußte, daß Carl der Urheber dessen war, was »man« mit dem Weißen Haus besprochen hatte. Der Ministerpräsident hatte jedoch vermutlich vor einer einfachen Wahl gestanden. Es wäre ihm kaum möglich gewesen, einen Repräsentanten der amerikanischen Regierung mit dem Hinweis abzufertigen, er habe schon begriffen, wie die Idee entstanden sei, und es gefalle ihm nicht, wie die Anfrage zustande gekommen sei.
    Wenn das Weiße Haus um einen Gefallen bat, mußte er gute Miene machen, was er jetzt auch tat.
    Für Carl war die Hauptsache, daß aus dem Projekt etwas wurde. Und jetzt war es in Gang gekommen.
    Als der Wagen einigermaßen abgekühlt war, schaltete er die Klimaanlage aus, kurbelte die Seitenscheiben herunter und ließ die Düfte des tunesischen Frühlings mit seiner Blumenpracht in den Wagen strömen.
    Sidi Bou Said klammerte sich rund hundert Meter über dem Meer an den Felsen fest. Das Dorf machte den Eindruck eines romantischen Kunstwerks. Die Häuser leuchteten weiß, die Fenster blau und die Vegetation in kleinen Gärten und an den Hausmauern in grün und rot. Die Häuser waren in der typisch arabischen Bauweise errichtet und hatten fast alle eine weiße Fassade zu den Gassen hin, kunstvoll bemalte und mit Ornamenten geschmückte Portale und vermutlich schöne Innenhöfe mit Gärten und Balkons. Das Privatleben war somit den Blicken entzogen.
    Das malerische Dorf war ein ebenso selbstverständliches wie wohlorganisiertes Touristenziel. Zu einem Parkplatz in der Dorfmitte gelangte man nur auf einer Einbahnstraße. Auf dem Marktplatz verließ eine deutsche Reisegruppe gerade zwei Busse mit Klimaanlage. Anschließend verteilten sie sich auf die nahegelegenen Gassen, in denen die Teppich und Souvenirhändler sich breitgemacht hatten.
    Carl hielt an und blieb eine Zeitlang im Wagen sitzen, um das Schauspiel des Zusammenstoßes der beiden Kulturen amüsiert zu betrachten. Bleichgesichtige Deutsche hatten schon begonnen, wild um große weiße Vogelbauer zu feilschen. Carl fragte sich, wie sie so etwas als Handgepäck im Flugzeug nach Haus bringen wollten. Andere kauften einfach gewebte Teppiche. Nach einiger Zeit stieg Carl aus, um besser gesehen zu werden. Sofort kam ein Mann auf ihn zu, der bedeutend jünger war als er, und stellte sich vor. Carl dachte spontan, daß er diesen Mann unter hunderten anderer erkannt hätte, wenn er auf einen jungen Karrieristen bei der CIA hätte zeigen sollen.
    Bruce Hutchins trug eine eckige randlos Brille des Typs, mit dem man an einigen amerikanischen Universitäten den Eindruck erweckt, ein Intellektueller zu sein, und an anderen Orten eher so wirkt, als ob einem Glenn Miller lieber sei als Bruce Springsteen. Sein Haar war feucht und glatt gekämmt, so daß es eng am Schädel klebte, was auf komische Weise die geringe Größe seines Kopfes betonte. Er war im Moment sicher der einzige im ganzen Dorf, der eine Krawatte trug.
    »Magst du Glenn Miller?« fragte Carl freundlich, nachdem sie sich bekannt gemacht hatten.
    »Ja, tatsächlich. Wie sind Sie darauf gekommen, Admiral?«
    fragte der junge CIA-Beamte erstaunt.
    »Ach, das war nur so ein Gedanke. Übrigens, können wir diese förmliche Anrede mit Sir oder Admiral lassen? Ich heiße Carl«, fuhr Carl fort, den seine zutreffende Vermutung aufgemuntert hatte.
    Als sie eine der stark abschüssigen Gassen hinaufschlenderten, sprachen sie über Architektur und Farbe. Schon nach wenigen hundert Metern wurde Carl durch eine enge Passage geführt. Gleich hinter dem Portal öffnete sich ein schöner, behaglicher Innenhof mit Springbrunnen und Bänken, die mit kunstvoll ornamentierten Fliesen belegt waren. Ein großer Feigenbaum spendete Schatten. Menschen waren nicht zu sehen, und man hörte nur das Geräusch des perlenden Wassers. Es war ein sehr angenehmer Ort.
    »Dies ist ein kleines Hotel. Ich gehe oft hierher und setze mich einfach nur hin, um ein bißchen auszuruhen«, erklärte Bruce Hutchins. »Wie war’s mit einem Glas Tee?«
    Carl nickte. Der junge Kollege, falls es nun tatsächlich in mehr als nur formeller Hinsicht ein Kollege war, eilte hinaus, um das Gewünschte zu bestellen. Er kehrte selbst mit einem kleinen runden Tablett zurück,

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