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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Hochseefischerei weit draußen auf See verbracht hatten. Mit dem Fischen hatten sie kein Glück gehabt, aber das machte ihnen nichts aus. Ihre Gesichter und Rücken brannten, weil sie den langen, sonnigen Tag draußen auf dem stark reflektierenden Wasser verbracht hatten, aber sie empfanden es, als gehörte es irgendwie dazu, als ließe es den weißen Burgunder besonders gut schmecken, obwohl er natürlich wie üblich zu kalt serviert worden war. Carl hatte sich wie gewohnt über die Weinkarte lustig gemacht. Die Amerikaner handhabten die Sache sehr direkt. Die Weine wurden nach den Preisen von oben nach unten aufgerührt. Erst kam also ihr Far Niente, dann eine Reihe mehr oder weniger bekannter kalifornischer Chardonnay-Weine, und erst danach tauchte die angeblich zweitklassige Ware in Form von Meursault, Montrachet, Puligny-Montrachet und anderen weltberühmten Größen auf, die nach amerikanischer Ansicht jedoch nie mehr als den zweiten Platz erreichen konnten. Den kleinen Kampf gegen ihren Lokalpatriotismus hatte er schon gewonnen; inzwischen war auch sie davon überzeugt, daß man die gewöhnliche amerikanische Weinkarte auf den Kopf gestellt lesen sollte. Wenn man nicht gerade besondere Gründe hatte, beispielsweise Far Niente zu trinken, weil es mit persönlichen Erinnerungen zu tun hatte.
    Sie fand, daß er einen vollkommen entspannten Eindruck machte. Das war ihm daran anzumerken, wie er scherzte und allerlei Unsinn redete. Er hatte sich beispielsweise darüber amüsiert, wie sie einen Werbeslogan übersetzte, der in Key West bis in alle Unendlichkeit abgewandelt wurde. Dort war so manches »Southernmost«: das südlichste Gasthaus, die südlichste Tankstelle oder was auch immer. Sie hatte das südmeiste übersetzt, und er hatte lange über die Genialität dieser Übersetzung schwadroniert. Ihr Frühstückslokal hieß Morgans Eatery, was sie mit Esserei übersetzt hatte, was ihn erneut zu großer Heiterkeit und überschwenglichem Lob veranlaßte.
    Sie hatten die Villa Hemingways besucht, inmitten Hunderter von Katzen, angeblich »echten Nachkommen« von Hemingways Katzen. Bei dieser Gelegenheit waren sie bislang zum ersten Mal ihrer Privatheit beraubt worden, da sich unter den Touristen auch einige Schweden befunden hatten, die plötzlich zu flüstern begannen und auf Carl zeigten, was ihn schnell ungeduldig machte. Er wäre am liebsten gleich gegangen. Andererseits war es jedoch die einzige Erinnerung während der letzten Tage daran, daß es außerhalb des Privaten auch noch eine andere Welt gab. Er hatte kaum Anzeichen dafür gezeigt, sich längere Zeit mit unangenehmen Erinnerungen abgeben zu wollen. Insofern erschien ihr der Urlaub als außergewöhnlich gelungen.
    Vor dem Essen hatte sie es endlich geschafft, ihr Fax an die Anwaltskanzlei in Los Angeles abzuschicken; er hatte unterschrieben, ohne daß es in seinem Gesicht auch nur andeutungsweise gezuckt hätte. Und er hatte es mit einem Scherz abgetan, als sie ihn daran erinnerte, welche Kosten jetzt auf dem riesigen Taxameter dieser Anwaltskanzlei zu ticken begannen.
    »Wenn wir gewinnen, kommen wir ja ins Plus. Wenn wir verlieren, ist es den Versuch wert gewesen«, hatte er mit einem Achselzucken festgestellt.
    Carl hatte sich schon damals, als er zum Schwimmen ins Meer gegangen war, mit der Situation abgefunden. Es lag eine besondere Logik darin, sich große private Sorgen auf die Schultern zu laden, etwas, womit sich gewöhnliche anständige Menschen ständig beschäftigen mußten. Solcher Kummer war menschlich, Sorgerechtsstreitigkeiten und Anwaltskosten. Es war sogar gut, wie er meinte, daß er endlich anfing, sich auch solchen Dingen zu widmen.
    Die Frage, ob er nach Kalifornien auswandern sollte, war gewiß schwieriger und wichtiger. Der Vorschlag war überraschend gekommen, und er hatte unwillkürlich damit begonnen, die rein praktischen und ökonomischen Aspekte eines solchen Vorhabens zu prüfen. Obwohl das nicht allzu lange dauerte. Es ging ja nur darum, einige Immobilien zu verkaufen und etwas Geld zu transferieren, praktisch nicht mehr als ein paar Tage Arbeit, vorausgesetzt, er wollte alles legal und in Übereinstimmung mit den Steuergesetzen der beiden Länder abwickeln, und eine andere Möglichkeit kam ihm gar nicht in den Sinn.
    Doch das, was nach den praktischen Fragen zu bedenken war, war schon schwieriger. Es ging ja nicht darum, seinen Beruf aufzugeben , denn dieser Beruf lief in seinem Fall auf Dinge hinaus, mit denen sich normale

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