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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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kam als erster auf der anderen Seite hervor und fand
sich in einer Welt aus Eis. Zehn Zentimeter hoher Schnee
bedeckte den Boden, und lange Eiszapfen hingen von der
Decke herab. Dicker Rauhreif bedeckte die Wände mit rätselhaft verschlungenen Mustern. Es war bitter kalt, und Owen
erschauerte unwillkürlich. Er wickelte seinen Umhang fest um
sich, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete,
wie sein Atem in der Luft kondensierte, während er versuchte,
sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. Hinter ihm trafen die
anderen ein, und drängten sich auf der Suche nach Wärme
dicht zusammen. Mit Ausnahme von Tobias Mond. Die Kälte
schien ihn völlig unberührt zu lassen.
Langsam stieg in Owen die Erinnerung wieder hoch, aus
welchem Grund er eigentlich hier war. Der Schock der unerwarteten Kälte hatte ihn einen Augenblick lang aus der Fassung gebracht, aber jetzt blickte er sich wachsam um. Die
Luft war eisig, und ein wenig Dunst hing in ihr. Die Halle war
im Vergleich zu einigen anderen, durch die sie bereits gekommen waren, nicht allzu groß, aber sie erweckte trotzdem
den Eindruck von Riesenhaftigkeit, beinahe als wären die
Wände nicht dick genug, um alles zu bewachen, was sich in
ihr befand.
Mitten im Saal schien ein helles Licht von der Decke herab
bis zum Boden, eine silberne Säule aus Helligkeit, und in dieser Säule stand ein Mann. Er stand unnatürlich still, wie die
drei Schattenmänner in der zerschmetterten gläsernen Vitrine,
festgehalten vom Licht, wie ein Schmetterling von Nadeln
durchbohrt in seinem Glaskasten festgehalten wurde.
Owen setzte sich in Bewegung, angetrieben zum Teil von
Neugier, zum anderen von Ehrfurcht. Der Schnee knirschte
unter seinen Stiefeln, und ihm kam zu Bewußtsein, daß er der
erste Mensch war, der über diesen Schnee ging, seit er vor
mehr als neunhundert Jahren gefallen war. Owen fühlte sich
auf eigenartige Weise, als wäre er in der Zeit zurückgereist,
seit er diesen Raum betreten hatte, zurück in ein Zeitalter, in
dem das Imperium noch jung und neu war, ein Produkt großer
Männer und Frauen, mutig und verwegen geschnitzt aus der
gefühllosen Leere des Weltalls. Schon in jenen Tagen hatte es
Helden und Bösewichter gegeben – als die Ereignisse noch
größer gewesen waren als das Leben selbst und alles eine andere Dimension besessen hatte. Damals wandelten Giganten
auf der Bühne des Imperiums, und dieser hier war einer von
ihnen gewesen. Owen blieb dicht vor der silbernen Säule stehen und musterte den Mann darin.
Er war so groß wie Owen, aber schmaler gebaut, obwohl
seine Arme vor Muskeln nur so strotzten. Er schien Anfang
Fünfzig zu sein, besaß ein hartes, zerfurchtes Gesicht, trug
einen silbernen Kinnbart und langes, graues Haar, das hinter
dem Nacken von einem Band gehalten wurde. Der Mann war
in abgetragene, formlose Felle gekleidet, die ein breiter Ledergürtel vor der Brust hielt. Seine Füße steckten in ledernen
Stiefeln, die sich an den Nähten auflösten. An den Handgelenken trug er dicke goldene Armbänder, und an den Fingern
steckten schwere Ringe. Auf seinem Rücken hing ein langes
Schwert in einer Lederscheide, und an dem breiten Ledergürtel baumelte in ihrem Halfter eine Pistole, wie sie Owen noch
nie zu vor gesehen hatte. Die Gestalt vermittelte ganz den
Eindruck gelassener Ruhe. Trotz ihrer geschlossenen Augen
schien es beinahe, als würde sie nur für einen Augenblick
nachdenken und könnte jederzeit wieder wach um sich blikken.
»Das ist er also«, sagte Hazel plötzlich neben ihm, und
Owen machte einen erschrockenen Satz zur Seite. Er hatte
nicht gehört, wie sie von hinten herangetreten war. Die anderen versammelten sich jetzt ebenfalls um die silberne Säule
aus Licht, aber in gebührendem Abstand – nur für den Fall.
Sie schienen sehr beeindruckt von der Umgebung und erst
recht von der Gestalt des Ersten Todtsteltzers. Owen zog in
Gedanken unwillkürlich einen Vergleich mit einem in Bernstein eingeschlossenen Insekt.
»Das ist er«, antwortete er schließlich, sorgfältig darauf bedacht, seine Stimme ruhig und gleichgültig klingen zu lassen.
»Der Todtsteltzer. Der ursprüngliche Todtsteltzer. Der Gründer meines Clans. Wir singen noch immer Lieder über seine
Tapferkeit und Heldentaten, obwohl das Imperium ihn damals
verbannt hatte. Er ruht seit über neunhundert Jahren hier und
wartet darauf, daß jemand kommt und ihn weckt. Wartet,
während sich das Rad der Geschichte

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