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Der Engel Esmeralda

Der Engel Esmeralda

Titel: Der Engel Esmeralda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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heute.«
    Sie versuchte, die grenzwertigen Nächte lesend durchzustehen, die Zeiten des dumpfsinnigen Entsetzens. Es gab Gerüchte, dass es sich nicht um Nachbeben handele, sondern um Vorboten einer tiefen Störung im Kontinentalgraben, einer sich auftürmenden Kraft, die über die Stadt mit dem marmornen Herzen hinwegrollen und sie zu Staub zermahlen würde. Sie richtete sich auf und blätterte um, die Maskerade einer Person, die gewohnheitsmäßig vor dem problemlosen Einschlafen noch eine Viertelstunde liest.
    In der Schule war es nicht so schlimm, wo sie bereit war, die Jugendlichen zu schützen, ihre Körper mit dem eigenen zu sichern.
    Das Beben wohnte unter ihrer Haut und gehörte zu jedem Atemzug, den sie tat. Sie pausierte über ihrem Essen. Ein Rascheln.Ein gleitendes, schilfiges Wegbiegen. Sie stand da und lauschte, allein mit der bebenden Erde.
    Edmund erzählte, er hätte ihr ein Geschenk gekauft, als Ersatz für die Dachverzierung aus Terracotta, die früher über dem Bücherregal an der Wand gelehnt hatte, Acanthusblätter, die aus dem Kopf eines schläfrig schauenden Hermes sprossen, zerschellt beim ersten Beben.
    »Du wirst deinen Hermes gar nicht so sehr vermissen. Ich meine, den gibt es doch überall, oder?«
    »Das mochte ich an ihm.«
    »Du kannst dir leicht einen neuen besorgen. Die werden stapelweise verkauft.«
    »Der geht nur wieder kaputt«, sagte sie, »wenn das Nächste kommt.«
    »Wechseln wir das Thema.«
    »Es gibt nur ein Thema. Das ist ja das Problem. Ich hatte früher eine Persönlichkeit. Was bin ich jetzt?«
    »Versuch einfach zu begreifen, dass es vorbei ist.«
    »Ich bestehe nur noch aus reinem, dumpfem, hündischem Instinkt.«
    »Das Leben geht weiter. Die Menschen erledigen, was ansteht.«
    »Nein, stimmt gar nicht. Nicht genauso wie vorher. Nur weil sie nicht jammernd durch die Gegend laufen.«
    »Es gibt nichts zu jammern. Es ist vorbei.«
    »Das heißt ja nicht, dass sie sich keine Sorgen machen. Es ist nicht mal eine Woche her. Die ganze Zeit bebt es wieder.«
    »Aber immer weniger«, sagte er.
    »Manchmal gar nicht so wenig. Manche der Nachbeben sind echte Hingucker.«
    »Bittewechsel das Thema.«
    Sie standen draußen vor der Schule, und Kyle beobachtete eine Gruppe Kinder, die in einen Bus stieg, zu einem Ausflug in ein Museum außerhalb der Stadt. Sie wusste, sie konnte sich darauf verlassen, dass der englische Junge die Geduld mit ihr verlieren würde. In der Hinsicht war er zuverlässig. Sie wusste immer, welche Meinung er vertreten würde, manchmal konnte sie sogar die genauen Worte vorhersagen, praktisch die Lippen synchron mit seinen bewegen. Er brachte etwas Stabilität in schweren Zeiten.
    »Du warst früher mal geschmeidig.«
    »Und guck mich jetzt an«, sagte sie.
    »Schwerfällig.«
    »Ich trage Schichten von Kleidern. Ich trage Kleider und Kleider zum Wechseln gleichzeitig. Nur um bereit zu sein.«
    »Ich kann mir keine Kleider zum Wechseln leisten«, sagte er.
    »Ich kann mir keine Reinigung leisten.«
    »Ich frage mich oft, wie mir das passieren konnte.«
    »Ich lebe ohne Kühlschrank und Telefon und Radio und Duschvorhang und was nicht alles. Ich bewahre Butter und Milch auf dem Balkon auf.«
    »Du bist sehr still«, sagte er daraufhin. »Das finden alle.«
    »Ja? Wer?«
    »Wie alt bist du eigentlich?«
    »Jetzt wo wir eine Nacht zusammen verbracht haben, meinst du?«
    »Eine Nacht verbracht. Genau. Eine Nacht verbraucht, mit Reden, aneinandergekauert.«
    »Also, mir hat das geholfen. Es hat mir wirklich etwas bedeutet.Es war die entscheidende Nacht. Nicht dass die anderen besonders gemütlich gewesen wären.«
    »Du bist immer willkommen, weißt du. Ich sitze da und denke mir, eine geschmeidige junge Frau, die quer durch die Stadt in meine Arme fliegt.«
    Die Kinder winkten ihnen von den Fenstern aus zu, und Edmund spielte einen Busfahrer mit wilden Augen, der im wüsten Verkehr feststeckte. Sie sah den helllichten, davongleitenden Gesichtern nach.
    »Du hast eine hübsche Farbe«, sagte er.
    »Was soll das heißen?«
    »Deine Wangen sind rosig und gesund. Mein Vater sagte immer, wenn ich mein Gemüse aufessen würde, bekäme ich rosige Wangen.«
    Sie erwartete, dass Edmund fragte: Und was hat deine Mutter immer gesagt? Dann gingen sie in der verbleibenden Zeit bis zum Nachmittagsunterricht spazieren. Edmund kaufte einen Sesambrotkringel und gab ihr die Hälfte davon ab. Er bezahlte, indem er seine Faust öffnete und den Verkäufer die passenden Münzen

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