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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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würden dort Dutzende von Menschen fotografieren oder filmen – wenn es also doch eine Falle war, würde das jede Aktion im Freien vereiteln.
    Er spürte, wie die Traurigkeit ihn überfiel – sein eigener Kleinmond auf seiner langsamen, einsamen Umlaufbahn, der sich ein oder zwei Mal am Tag zeigte. Die Nähe anderer Menschen lockte seine Traurigkeit oft hervor. Das süße, menschliche Gewirr von Gesichtern und Stimmen. Ineinander verschlungene Hände, Arme um Taillen, Lippen dicht am Ohr des anderen, Geheimnisse flüsternd, ein Kind, das auf den Schultern seines Vaters saß. Tausend simple Vertraulichkeiten. Er nahm eine rasche Selbstbetrachtung vor, suchte nach Hinweisen auf Verbitterung oder Selbstmitleid, doch er fand nie welche. Er wusste, dass seine Entscheidungen ihn zu dem gemacht hatten, der er war. Wer in den Schatten nach Dingen suchte, die Fremde dort versteckt hatten, lernte nicht viele andere Menschen kennen. Und wenn man den Großteil seines Lebens dort verbrachte, fransten die Bande zu denen, die man liebte, aus – und rissen. Es war das Ergebnis seines Tuns. So also sei es.
    Er brach zum Pont au Double auf, um dort die Seine zu überqueren.
    Dewey beobachtete, wie Matheson sich durch die Menge schob. Er trat hinter der Statue von Karl dem Großen hervor, um die Beschattung fortzusetzen – und ein Rosenhändler stand vor ihm und bot ihm seine Waren dar.
    »Une fleur, monsieur? A rose? Deux euros. Pour une femme?«
    Dewey lächelte den Mann träge an, dann nahm er zwei Münzen aus der Tasche. »Klar.«
    »Merci, monsieur.«
    Dewey nahm sich eine Rose. »Ihr seid alle völlig am Arsch – das weißt du, oder?«
    Der Händler neigte den Kopf. »Nix Englisch, Monsieur.«
    »Dein Leben, Mann. So bist du immer ein Mensch zweiter Klasse. Nimm deinen Stolz zusammen, Alter. Sei klug. Geh nach Hause.«
    Er ging weiter. Als er an einer jungen Frau in einer eng anliegenden Jacke vorbeikam, die die Kurven darunter ahnen ließ, blieb er stehen. Sie machte gerade ein Foto von der Kathedrale.
    »Hey, Baby …«
    Sie senkte die Kamera. »Oui?«
    Er reichte ihr die Rose. »Bitte.«
    Sie zögerte, doch dann nahm sie sie mit einem Lächeln an. »Merci.«
    Dewey tippte sich an einen imaginären Hut. »Jetzt wirst du mich nie vergessen«, sagte er und ging weiter.

12
    »You are the sunshine of my life …«
    Er hatte den Song auf Wiederholung gestellt. Er hatte ihn in den langen Stunden begleitet – eine langsame Version, die er auf iTunes gefunden hatte, von einer Norwegerin namens Vedvik, die dem Eindruck der Stimme nahekam, die er nun ein halbes Dutzend Mal gehört hatte. Er benutzte das Lied als musikalischen Magneten; er wollte versuchen, damit etwas aus seinen Tiefen zu ziehen.
    Als er die Präsenz zum ersten Mal gespürt hatte, war es wie das verspätete Eintreffen eines Echos gewesen, das Gefühl, etwas in der Luft streiche ihm über die Haut. Weicher als ein Atemzug, wie der Parfümhauch einer Frau, der einen erst erreicht, wenn sie schon drei Schritte weitergegangen ist. Nun war sie zu einem Besucher geworden, der einen Grund besaß, an seine Tür zu klopfen.
    Geiger bearbeitete das glänzende Mahagoni in Kreisbewegungen mit dem Beitel und vergrößerte mit jeder Umdrehung den Durchmesser. Er hatte rund um die Uhr gearbeitet, um das Stück fertigzustellen. Alles musste abgeschlossen werden, beendet – weil er gehen würde. Für ihn war Deep Red bereits in sein Haus eingedrungen. Daher würde er es verlassen und nichts ungetan zurücklassen, nichts, was ihm später – in einer Woche oder in einem Jahr – einfallen und bei ihm ein Gefühl der Unvollständigkeit wecken konnte. Zwischen dem, was jetzt war, und dem, was kam, zwischen einem Ende und einem Anfang musste eine scharfe Demarkationslinie gezogen werden.
    Obwohl er nicht gesehen hatte, wie es Gestalt annahm, war es nun klar. Es war voll ausgebildet zu ihm gekommen. Er würde die Wahl treffen, die auch sein Vater getroffen hatte – genau die gleiche. Er würde mit dem Holz leben, dem Wald ein Leben entnehmen, hoch und still, an einem Ort, den nur die Wolken berührten. Es würde keine Worte geben, keine Signale, Nachrichten oder pulsierende Bilder. Das ist mein Geschenk an dich. Du bist niemand. Es würde niemanden sonst geben. Er würde allein sein mit ihrer Stimme.
    Die Liste der Dinge, die er vor seiner Abreise zu erledigen hatte, war kurz. Ein Gang zur Bank mit dem Schließfach, eine Reisetasche mit Kleidung packen, eine Mail an Harry

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