Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
könnten.«
In dieser angespannten Situation erhält die Soko einen neuerlichen Hinweis aus der Tschechischen Republik. Ein gewisser Jakub Stoch, Polizeiagent aus Falkenau, meldet sich mit einer wilden Geschichte. Ein Kollege in Prag habe ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass sich der bulgarische V-Mann wieder gemeldet habe. Er wisse tatsächlich, dass Peggy lebe und wo sie zu finden sei – nämlich nach wie vor in Elmabagi.
Also doch! Wenige Tage später reisen zwei Mitglieder der Soko Peggy in die tschechische Hauptstadt. Im Polizeibüro des Flughafens treffen sie Jakub Stoch und den V-Mann-Führer Vesely. Dessen Angaben protokollieren die deutschen Polizisten wörtlich:
Vesely: Ich weiß aber, dass Peggy noch in Elmabagi sein soll.
Frage: Wie können Sie das so genau sagen?
Vesely: Ich weiß das. Ich werde Ihnen ein Foto von Peggy zukommen lassen, damit Sie und die deutschen Behörden sehen, dass sich Peggy noch dort befindet und lebt.
Anmerkung: Herr Vesely telefoniert mit seinem Handy und spricht mit einer Person in Tschechisch. Anschließend antwortet er, er hätte jetzt mit einem Informanten gesprochen, der von Peggy ein Bild beschaffen könne.
Konnte das wahr sein? Sollte die Spur auf Ahmet Yilmaz doch die richtige sein? Aber warum gab es dann keine eindeutigen Nachrichten aus Elmabagi, das ja offenbar nur ein kleines Dorf war? Die türkische Polizei hätte ihre Suche dort schon längst abgeschlossen haben müssen. Tatsächlich sollte es aber noch bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag 2001 dauern, bis endlich ein entsprechendes Schreiben des türkischen Innenministeriums beim deutschen Generalkonsulat in Istanbul eintrifft. Der Inhalt ist entmutigend. »Trotz aller Ermittlungen, die in der gesamten Türkei für die Auffindung der Peggy Knobloch […] durchgeführt wurden, konnte nicht festgestellt werden, ob das genannte Mädchen in die Türkei gebracht wurde bzw. wo sie sich aufhalten könnte.«
Wieder hat sich eine vielversprechende Spur im Nichts verloren. Wieder ist die Soko im Fall Peggy keinen Schritt weitergekommen.
Kapitel 7
Ulvi Kulac unter Verdacht
I m Dezember 2001 muss die Soko nicht nur die Türkei-Spur ad acta legen, sie erleidet auf den ersten Blick noch eine weitere schwere Schlappe. Die Ermittler hatten den Tipp bekommen, dass Peggy vor ihrem Verschwinden hin und wieder in einem leerstehenden Haus in der Lichtenberger Brauhausstraße gesehen worden war. Vielleicht hatte sie hier ein heimliches Versteck und war dort von ihrem späteren Täter aufgespürt worden? Womöglich hatte dieser dem Mädchen in dem Haus, nur wenige Schritte entfernt von der Knoblochschen Wohnung, aufgelauert und es an Ort und Stelle umgebracht und verscharrt?
Die Ermittler hatten aufgrund dieses Tipps Leichenspürhunde angefordert und das Haus durchsuchen lassen. Als die Hunde anschlugen, ordnete die Soko an, das Gebäude abzutragen. Balken für Balken, Stein für Stein, bis auch die Kellerräume freigelegt waren. Zwischen dem ganzen Schutt stießen die Ermittler auf eine Sickergrube, aus der bestialischer Gestank drang. Also doch eine Leiche? Die Ernüchterung war groß, als man am Ende nur ein Sammelsurium aus Abfall, Fleischresten, vergorenen Sauerkrautfässern und Öl fand.
Die Pointe dabei: Die Ermittler hatten eigentlich Hunde aus dem benachbarten Thüringen angefordert, die dezidiert an echten Leichen ausgebildet werden und dementsprechend präzise auf den charakteristischen Geruch von Leichen reagieren. Bayerische Leichenspürhunde trainieren dagegen an Fleischresten, wie uns Insider verraten haben. Daher können sie nicht unterscheiden zwischen Leichen, vergammelter Wurst oder verdorbenem Fleisch. Das Gesuch der Soko war abgelehnt worden – aus finanziellen Gründen. Das Ausleihen der thüringischen Hunde sei zu teuer. Im Nachhinein wäre das sicher eine wesentlich günstigere Variante gewesen, als ein ganzes Haus abtragen zu lassen. In der Brauhausstraße jedenfalls konnte keine Leiche gefunden werden.
Auf die Idee, hier graben zu lassen, hatte die Ermittler eine Spur gebracht, die eigentlich als abgearbeitet galt – wie so viele. Ulvi Kulac war bereits am 23. Mai zum Vermisstenfall Peggy befragt worden. Der 24-Jährige konnte ein lückenloses Alibi für den 7. Mai nachweisen, die Spur war kalt, die Unterlagen seiner Befragung waren längst abgeheftet worden.
Doch nun war plötzlich alles anders. Der junge Mann war erneut ins Visier der Soko geraten, weil er sich vor einem kleinen Jungen
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