Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Verschwinden und die anschließende Tötung von Peggy Knobloch durch Erwürgen verantwortlich«, heißt es darin. Und weiter: »Diese Aussagen widerrief er später und belastete seinen Bekannten Mirko Scholz, einen Einwohner der Ortschaft Lichtenberg.«
Die Soko bezweifelte allerdings, dass Ulvis vermeintliches Geständnis der Wahrheit entspricht. Seine Angaben ließen sich »weder durch Spuren noch durch Zeugenaussagen« erhärten. Und: »Eine kriminaltechnische Absuche seiner Wohnung [der Wohnung von Mirko Scholz] verlief negativ.« Dennoch wurde er als Verdächtiger geführt.
Mirko Scholz, geb. 7.5.77 in Naila, wh. Lichtenberg.
Scholz ist der Mann, den Ulvi Kulac vorübergehend beschuldigt haben soll, »Peggy geknebelt, gefesselt und mit einem Stein beschwert an einem Fluss abgelegt zu haben«. Eine Aussage, die die Polizei nicht von Ulvi selbst, schon gar nicht von Scholz, sondern lediglich über einen Vermerk in der Sozialanamnese und in Teilen von Fritz Hermann erfahren hatte. Die Soko beantragte, Mirkos Telefongespräche abzuhören. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren »wegen Verdachts des Totschlags zum Nachteil von Peggy Knobloch« ein. Der Verdacht gegen den anderen Scholz, Ulvis Freund Tim, hatte sich nicht erhärten lassen, er hatte ein wasserdichtes Alibi.
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Zum Zeitpunkt von Manharts Bericht war die Personaldecke der Soko Peggy kräftig geschrumpft – von 75 auf elf Mann. Der Grund lag weniger darin, dass die Polizei um jeden Preis die Kosten drücken wollte, sondern vielmehr darin, dass kaum noch etwas zu tun war. 95 Prozent der Spuren seien abgearbeitet, ein neuer Spurenkomplex sei nicht in Sicht, resümiert der Leiter der Soko.
Der Zwischenbericht vom 17. Oktober 2001 mag ehrlich gewesen sein, der politischen Führung des Freistaats Bayern indes gefiel er nicht. Der Fall Peggy war der prominenteste Kriminalfall des Jahres. Wochenlang war Lichtenberg von Fotografen und Fernsehteams regelrecht belagert worden. Manche Teams hatten sich hier so zu Hause gefühlt, dass sie ungefragt durch fremde Gärten streiften, den Ort als reine Kulisse und die Menschen als Statisten für ihre Inszenierungen missbrauchten. In Oberfranken sollte endlich wieder Ruhe einkehren. Gleichzeitig wusste man in München auch, dass die Menschen mit dem bisherigen Verlauf der Ermittlungen unzufrieden waren. Das Schicksal von Peggy einfach unaufgeklärt zu lassen war keine Option, dafür hatte der Fall zu hohe Wellen geschlagen. Also musste eine andere Lösung her.
Kapitel 11
Der Minister greift ein
E rstaunlicherweise spielt die politische Dimension des Falles Peggy in der Berichterstattung der Medien bis heute so gut wie keine Rolle. Dabei hatte sich Bayerns Innenminister Günther Beckstein spätestens Ende 2001 persönlich eingeschaltet und die Ermittlungen in neue Bahnen gelenkt. Die Mitarbeiter der Soko Peggy bekamen erstmals im Sommer 2001 Wind davon, dass ihre Arbeit von höherer Warte aus mit Argusaugen betrachtet wurde. Über den Flurfunk wurde verbreitet, das Innenministerium sei höchst irritiert über ihre Erfolglosigkeit. Die Polizisten waren frustriert und fühlten sich unter verschärfter Beobachtung. Das Arbeitsklima litt, die ermittelnden Kommissare stritten sich immer häufiger. Eine klare Linie für das weitere Vorgehen fehlte. Ausgerechnet in dieser Phase riefen immer wieder Ministerialbeamte aus München an und erkundigten sich nach dem Stand der Dinge. Dass die politische Führung langsam ungeduldig wurde, war offensichtlich und sorgte unter den Ermittlern zusätzlich für eine nervöse und angespannte Stimmung.
»Die Ermittlungen waren sehr schwierig«, sagte uns auch der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein, als wir ihn zum Fall Peggy befragten. Dass gerade dieser Fall solche Probleme bereitete, sei besonders schwer hinzunehmen gewesen, denn »Kinder sind unschuldig«, so der Politiker. Die erste Sonderkommission sei nach »einiger Zeit an den Punkt gekommen, an dem sie nichts Wesentliches mehr ermittelte«, erinnert sich der damalige Innenminister. Er habe dann die Entscheidung »mitgetragen«, eine neue Kommission einzusetzen.
Ein beispielloser Vorgang – auch wenn Beckstein versucht, ihn als politische Routine zu verharmlosen: Eine erfolglose Sonderkommission abzulösen und durch eine neue zu ersetzen sei »nicht so ungewöhnlich« bei Fällen, in denen die Ermittlungen »schwierig« seien. »Es ist eigentlich ein Grundprinzip, das ich immer hatte, denn die Erfahrung
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