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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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konnte man nie wissen. Bewahre deine Informationen in verschlüsselten Dateien auf oder im menschlichen Gehirn, das ist das sicherste Archiv der Welt, wie JB zu sagen pflegte. Die Gardinen vor den abhörsicheren Fenstern waren zugezogen, und mehrmals am Tag fuhr eine Patrouille an der anonymen Villa vorbei. Tausende von DIN-A4-Blättern wurden ausgedruckt, studiert und makuliert, aber keine einzige Spur wies auf das Königreich Dänemark, das wieder einmal verschont zu bleiben schien. Jeder braucht eine Freistatt. Dänemark war eine solche friedliche, oft langweilige Freistatt ohne größere Bedeutung für die Welt. Dänemark gewährte Organisationen Unterschlupf, die von der dahingeschiedenen kurdischen PKK über fundamentalistische Gruppen mit arabischen Namen bis zu Neonazis reichten, eine Toleranz, die dem Land vielleicht schlimmere Schläge ersparte. Warum sollte man die Ruhe zerstören, die man hier fand? Im Zweiten Weltkrieg war es genauso. Niemand träumte davon, die Schweiz zu erobern. Bei einem Krieg brauchen alle einen Ort, an dem keine Kriegshandlungen stattfinden und eine Art Normalzustand es möglich macht, Treffen abzuhalten oder einfach Entspannung zu finden.
    Es war ein Vormittag. Draußen hinter den Gardinen schien die Sonne, aber als Toftlund vom Flughafen in die Stadt gefahren war, hatten schwarze Regenwolken über dem Øresund gehangen. Sie beriefen eine Sitzung ein, und Toftlund unterrichtete sie darüber, was er in London über al-Qaida erfahren hatte. Die Briten und ein ebenfalls teilnehmender spanischer Nachrichtenoffizier hatten Informationen über eine Reihe von Leuten in verschiedenen europäischen Ländern geliefert. Sie hatten Namen genannt.
    »Sie sind bereit, für die Sache ihr Leben zu lassen. Sie sind davon überzeugt, daß sie Märtyrer sind, daß diejenigen, die im Kampf sterben, auf geradem Wege ins Paradies kommen. Sie glauben an etwas. Wir verstehen sie vielleicht nicht, aber für die Selbstmordattentäter in Israel oder die Millionen junger Männer in der arabischen Welt, die keine Zukunft sehen, ergeben ihre Taten leider einen Sinn. Die al-Qaida-Leute haben den Glauben an einen Dialog längst aufgegeben. Sie haben sozusagen das Gebetbuch zur Seite gelegt und das Schwert gezogen. Sie sind ein geradezu idealer Feind. Noch Fragen?« sagte er abschließend und legte seine Notizen vor sich auf den Tisch.
    Aischa Hussein meldete sich.
    »Darf ich etwas ergänzen?«
    »Bitte, Aischa.«
    »Du hast die vielen frustrierten Jugendlichen in den islamischen Ländern oder allgemein in der dritten Welt erwähnt. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25. Tatsächlich gibt es zwei Antriebskräfte für sie. Die eine ist der Haß gegen die westliche Lebensform. Die andere ist der ungeheuer starke Wunsch, ihrer aussichtslosen Lage zu entkommen und nach Europa oder in die USA auszuwandern. Sie leben in Diktaturen oder korrupten Despotien. Der Traum von einem anderen Leben und der Koran geben ihnen Hoffnung in einer hoffnungslosen Situation.«
    JB beugte sich vor.
    »Vielleicht sollten sie ihre Wut gegen die Verantwortlichen in ihren eigenen Ländern richten statt gegen uns!«
    »Das ist leichter gesagt als getan«, sagte Aischa.
    »Vielleicht sollten sie zur Abwechslung mal arbeiten, statt sich fünfmal am Tag auf die Erde zu schmeißen.«
    »Wollen wir das jetzt alles noch mal durchkauen?«
    »Nein. Wollen wir nicht. Aber unser Wohlstand ist uns eben auch nicht in den Schoß gefallen. Er ist das Ergebnis der harten Arbeit von Generationen. Er gründet auf Demokratie und Aufklärung. Er beruht unter anderem darauf, daß wir uns nicht vom Aberglauben in alten Büchern leiten lassen, sondern von Vernunft und Rationalität.«
    »Der Glaube an Gott steht keineswegs im Gegensatz zum Glauben an Rationalität und Demokratie.«
    »Versuch das mal deinen Mullahs und Imamen zu verklickern. Die wirken doch geistig eher unterbelichtet. Die predigen Dinge, die in eine Hirten- und Wüstenkultur gehören, wie es sie vor vielen Jahrhunderten mal gegeben hat.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Nein. Es gibt überhaupt nicht viel, das einfach ist, mein Fräulein.«
    JB lehnte sich zurück. Auf Aischas Wangen hatten sich Anflüge von roten Flecken gebildet. Sie riß sich gewaltig zusammen, um nicht sauer zu werden oder gar ihre Selbstkontrolle zu verlieren, die ihrem Dossier zufolge ein wichtiger Zug ihrer Persönlichkeit war. Sie wollte einfach nicht durchfallen. Weil sie

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