Der ferne Spiegel
seiner Jugend unberührt. Er verstand etwas von praktischer Politik, ohne ein großer Herrscher
zu sein. In keiner Hinsicht überragte er seine Zeit, aber er glänzte in jenen Qualitäten, die seine Zeit an einem König bewunderte: Er liebte die Vergnügung, die Schlacht, den Ruhm, Jagden und Turniere und nicht zuletzt ein extravagantes Auftreten. Eine Beschreibung seines Charakters nennt »jungenhaften Charme« und eine gewisse »jugendliche Launenhaftigkeit«, was andeutet, daß er die charakteristische mittelalterliche Jugendhaftigkeit und Unreife teilte.
Als Eduard den Anspruch anmeldete, der rechtmäßige König von Frankreich zu sein, wußte niemand, wie ernst er das meinte, aber als taktische Maßnahme war dies von unvergleichlichem Wert, da es ihm den Anschein gab, eine gerechte Sache zu vertreten. Ein »gerechter Krieg« ist zwar in allen Zeiten ein gesuchter Vorwand, aber im Mittelalter war er praktisch eine Notwendigkeit, da nur so die feudalen Verpflichtungen an Geld und Soldaten einzuklagen waren. Der »gerechte Krieg« war auch wesentlich, um Gott auf seine Seite zu ziehen, denn Krieg wurde grundsätzlich als Anrufung Gottes und seines Schiedsgerichtes gesehen. Ein gerechter Krieg konnte im öffentlichen Interesse geführt werden, wenn es eine »gerechte Sache« gab, die gegen eine »Ungerechtigkeit« des Feindes in Form eines Verbrechens oder Rechtsbruchs zu vertreten war. Nach den Lehren des unumgänglichen Thomas von Aquin gab es noch eine dritte Bedingung: die gerechten Absichten des Angreifers, aber wie diese zu überprüfen seien, sagte der große Ausleger nicht. Wichtiger noch als die Hilfe Gottes war das »Recht auf Beute«, in der Praxis das Recht auf Plünderung, das mit einem »gerechten Krieg« verbunden war. Dies beruhte auf der Theorie, daß ein ungerechter Feind kein Recht auf Besitz hatte, und so wurde die Beute als Belohnung für den Einsatz des Lebens für eine gute Sache angesehen. [Ref 66]
Der Anspruch Eduards auf die französische Krone wurde nun zur willkommenen Entschuldigung für jeden Untertan Frankreichs, der sich von Eduard als Verbündeter gewinnen ließ. Wenn er und nicht Philipp der rechtmäßige König von Frankreich war, dann konnte ihm jeder Vasall seine Gefolgschaft legal übertragen, ohne sein Treuegelöbnis zu brechen. Gefolgschaft wurde im 14. Jahrhundert immer noch einer Person geleistet, nicht einer Nation,
und die mächtigen Feudalherren fühlten sich frei, über ihre Bündnisse fast autonom zu entscheiden. Die Harcourts der Normandie, der Herzog und andere Herren der Bretagne gingen bedenkenlos zu Eduard über. Der von seiner Mutter hergeleitete Anspruch Eduards brachte ihm den entscheidenden Vorteil, ohne den das ganze Unternehmen unmöglich gewesen wäre: Unterstützung in Frankreich. Er brauchte sich den Weg in das Land nicht freizukämpfen. Sowohl in der Normandie als auch in der Bretagne blieb dieser Zustand für die nächsten vierzig Jahre erhalten, und in Calais, das nach der Schlacht von Crécy eingenommen worden war, sollte er das Mittelalter überdauern. [Ref 67]
In der Bretagne konzentrierte sich der Krieg auf eine endlose Fehde zwischen zwei Aspiranten auf den Herzogsthron, die jeweils einen Teil der Bevölkerung hinter sich hatten. Eine Seite wurde von Frankreich, die andere von England unterstützt. Dadurch stand die bretonische Seeküste englischen Schiffen offen, englische Garnisonen standen auf bretonischem Boden, und bretonische Adlige stellten sich offen auf die Seite König Eduards. Die Bretagne war das Schottland Frankreichs, unberechenbar, keltisch, unzugänglich, von jeher widerborstig. Die Bretonen benutzten die Engländer in ihren Auseinandersetzungen mit der Monarchie wie die Schotten die Franzosen in den ihren.
An ihrer felsigen Küste »trafen sich zwei Feinde, das Land und die See, der Mensch und die Natur, in einem ewigen Kampf«, wie Michelet es beschrieben hat. Stürme werfen 15, 20, ja 25 Meter hohe Wellen an die Küste, deren Gischt hoch wie ein Kirchturm fliegt. »Die Natur ist schroff hier, und das ist auch der Mensch, und sie scheinen sich zu verstehen.«
Die Rivalen um das Herzogtum waren zwei unnachgiebige Extremisten, ein Mann und eine Frau. 1341 war der letzte Herzog gestorben. Er hinterließ einen Halbbruder, Johann Graf von Montfort, und eine Nichte, Jeanne de Penthièvre, als rivalisierende Erben. Montfort war der Verbündete Englands, während Jeannes Anspruch von ihrem Mann Karl von Blois verfochten wurde – ein
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