Der Feuer-Dämon
die Größe eines DIN-A-4-Blattes hatte.
Ich streckte den Arm aus und nahm es in meine Hand.
Man kann eigentlich von solchen Zeichnungen nicht auf das genaue Aussehen eines Menschen schließen. Jedenfalls besaß der Mann dunkle Haare, ein bartloses Gesicht und Augen, die weit auseinander standen. Zudem fiel mir noch die kurze Nase auf.
Ich schaute mir die Zeichnung etwas länger an, um mir das Gesicht einzuprägen, und reichte sie Ignatius schließlich zurück. »Es wird nicht einfach sein, ihn aufzutreiben.«
»Da sagst du etwas.«
»Und was war mit Urs Meyer?«
»Er war ein einfaches Mitglied der Schweizer Garde, ein Soldat.«
»Könntest du dir vorstellen, dass man ihn bewusst ausgesucht hat und es kein Zufall gewesen ist?«
»Ja, diese Möglichkeit haben wir in Betracht gezogen, sind aber in der Kürze der Zeit noch nicht dazu gekommen, dieser Spur nachzugehen. Ich denke aber, dass Mario Carlesi und du dort ansetzen könntet.«
»Urs Meyer hat doch hier in der Kaserne gewohnt wie alle anderen Mitglieder auch, oder?«
»Das hat er.«
»Wie kam er mit seinen Kameraden zurecht?«
»Gut. Er fiel nicht auf. Er litt weder unter seinem Dienst noch unter Heimweh, wie es bei den Menschen hin und wieder vorkommt.«
»Hatte er Freunde. Oder eine Freundin?«
Ignatius legte beide Hände flach auf seinen Schreibtisch. »Ich muss noch dazu sagen, dass er ein recht verschlossener Mensch gewesen ist. Es ist nicht so, dass die Garde nur hier kaserniert ist. Die Soldaten haben ihre Freiräume, und sie können die Kaserne auch verlassen. Rom bietet jedem etwas. Auch Urs Meyer ist in seiner Freizeit nicht unbedingt hinter diesen Mauern geblieben. Er hat sich amüsiert, und ich denke, dass man ihn auch in irgendwelchen Discos gefunden hätte. Das alles kommt zusammen, aber wo genau er hingegangen ist, wissen wir nicht.«
»Hatte er denn eine Freundin?«
»Das versucht sein Chef herauszufinden. Die meisten Gardisten haben Freundinnen. Wenn ihr Dienst hier vorbei ist, dann hat es nicht wenige gegeben, die ihre Bekanntschaften geheiratet haben, deshalb könnte das eine Spur sein. Vorausgesetzt, er ist nicht zufällig gestorben, woran ich immer weniger glaube.«
»Warum?«
»Weil die Uniform einfach zu auffällig ist. Möglicherweise wollte der Täter, dass er auffällt. Wäre ein normaler Tourist verbrannt, was ebenfalls sehr schrecklich gewesen wäre, dann wäre das nicht so auffällig gewesen. Du verstehst, was ich damit sagen will?«
»Aber sicher, Ignatius. Du gehst davon aus, dass der Mörder etwas gegen die Schweizer Garde hat?«
»Der Gedanke lässt mich tatsächlich nicht los.«
»Dann spinnen wir ihn weiter«, sagte ich. »Und wer sollte etwas dagegen haben?«
»Keine Ahnung, ehrlich.«
»Hat die Garde Feinde?«
»Ich wüsste keine. In der Vergangenheit schon. Da haben sie auch gekämpft. Aber heutzutage nicht, denke ich. Es sei denn, man sieht ihren Glauben und das, was sie symbolisieren, als Feind an.«
»Ja, das wäre ein Grund.«
»Wie auch immer, John, es steht uns keine leichte Aufgabe bevor, wir suchen einen Menschen, in dessen Innern ein Feuer steckt, das auf andere Personen übergreift und sie verbrennt. Ich darf gar nicht daran denken, welche Möglichkeiten sich dieser Person eröffnen.«
»Ja, lieber nicht. Aber ich glaube auch, dass es erst ein Motiv geben muss. Er wird nicht wahllos auf Menschen zugehen und sie in Brand setzen.«
»Hoffen wir es.«
Als hätte Mario Carlesi, der Führer der Garde, genau diesen Moment abgewartet, so klopfte es an der Tür, die sofort danach geöffnet wurde. Ich drehte den Kopf und sah einen hoch gewachsenen Mann mit dunklen Haaren und breiten Schultern, der das große Büro betrat, die Tür hinter sich schloss und auf uns zukam.
»Darf ich vorstellen, John? Dein Partner hier in Rom. Mario Carlesi...«
***
Wir reichten uns die Hände und schauten uns dabei in die Augen. Ich freute mich über den offenen und auch festen Blick, den ich erwiderte. Falschheit sah ich darin nicht.
Auch der Händedruck war fest, als sollte er zwischen uns eine Brücke des Vertrauens aufbauen.
»Ich freue mich, Signor Sinclair. Father Ignatius hat mir einiges über Sie erzählt.«
»Vergessen Sie das am besten.«
»Nein, nein, Gutes soll man behalten.«
»Dann hat er übertrieben.«
Wir lachten beide, setzten uns, und ich wollte von Beginn an die Förmlichkeiten weglassen, deshalb bat ich ihn, mich John zu nennen. Er war einverstanden und bestand auf Mario.
Danach kamen
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