Der Flirt
Rücken über ihn.
»Nein.« Arnaud schob sich an ihm vorbei und riss die Haustür weit auf. »Ich kümmere mich selbst darum.«
Als Arnaud in die Galerie kam, liefen dort mindestens zwei Dutzend Menschen herum, luden Kleinlaster aus, hängten Leinwände auf, stellten Videokameras um und brüllten einander an. Die Künstler waren sofort zu erkennen, ein kleiner Haufen Stadtstreicher, die sich rauchend in einer Ecke unter einem »Rauchen verboten«-Schild drängten.
»Wo ist meine Frau?«, wollte Arnaud von einem schmuddeligen jungen Mann wissen.
»Und wer sind Sie?«, konterte der Hallodri. »Ich bin …« Arnaud hielt inne. Es war entwürdigend, sich selbst vorzustellen. Also kam er direkt zur Sache.
»Ach, verpiss dich«, sagte er und stapfte in der Gewissheit, dass sie über ihn lachten, weiter.
Arnaud verabscheute Kunst. Vor seiner Heirat hatte er sich nicht viel damit abgegeben, doch seit Olivia sich als hingebungsvolle Gönnerin gerierte, verabscheute er sie regelrecht. Besonders zuwider war ihm das Wort »Talent« und die Art und Weise, wie es durch die Gegend geworfen wurde und auf jedem beliebigen Geistesschwachen landete, an dem seine Frau Gefallen fand. Michelangelo war talentiert. Leonardo da Vinci besaß Potenzial. Doch Walter Fripp aus Woking
mit seinen Pappmaché-Mannequins, die wie freizügige Teletubbies gekleidet waren, war schlichtweg geistesgestört und auf keinen Fall talentiert. Er hatte mehr als ein Mal versucht, seiner Frau das zu erklären, doch sie weigerte sich zu begreifen, worauf er hinauswollte. Sie sprach über Visionen und kulturelle Bezüge und Metaphern für das moderne Leben, bis er am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Was er schließlich auch tat. Gebildete Frauen bestanden darauf, Ideen und Meinungen zu haben. Seine Mutter hatte genügend Meinungen für alle Frauen der Welt gehabt. Bei seiner Frau konnte er darauf gut verzichten.
Dann entdeckte er sie, ins Gespräch mit diesem Fatzke Simon Grey vertieft.
Arnaud blieb dort stehen, wo er stand, und bellte: »Olivia!«
Sofort hielten alle inne und wandten sich ihm zu.
»›Vor eurer Thür baut’ ich ein Weidenhüttchen‹!«, zitierte Simon murmelnd aus Shakespeares Stück Was ihr wollt .
Olivia blickte sich um.
»Arnaud.« Sie lächelte und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, als wollte sie einen Fremden begrüßen. »Was machst du hier?«
Ihre Reaktion brachte ihn aus dem Konzept. Eigentlich hätte sie mit dem vertrauten ängstlichen Gesichtsausdruck auf ihn zugelaufen kommen müssen. Stattdessen nahm sie ihn am Arm und schob ihn entschlossen in einen Raum, der mit Fotos von Mülleimern vollgehängt war. Und sobald sie ihn vom Rest der Gesellschaft isoliert hatte, blieb sie stehen und schaute mit ihren großen blauen Augen erwartungsvoll zu ihm auf.
Arnaud hatte seine Frau schon eine ganze Weile nicht mehr richtig angesehen. Er hatte nicht erwartet, dass sie so attraktiv war. Er war überrascht, wie jung, wie schlank
und fest sie war. Sie trug eine dünne nilgrüne Oxfordbluse und eine maskuline schwarze Leinenhose, einen stahlblauen Kaschmirpullover locker um die Taille geknotet. Es war ein lässiges, ungekünsteltes Outfit und doch seltsam sexy. Die Blusenärmel hatte sie hochgekrempelt, sodass ihre strammen Unterarme und zarten Handgelenke zu sehen waren. Weibliche Handgelenke hatten etwas, stellte er fest; die Art, wie sie sich zur Hand hin verjüngten. Besonders ihre langen, anmutigen Finger übten eine unwiderstehliche Anziehung auf ihn aus. Olivias Hände hoben sich zu ihrem Hals, und sein Blick folgte ihnen. Ihre Bluse war nicht zugeknöpft, ihr Hals schmucklos. Sein Blick wanderte zu dem tiefen V unterhalb ihres Halses, wo ihr Dekolleté begann. Er überlegte, ob sie einen BH trug, und hoffte fast, dass dem nicht so war. Irgendetwas in ihm rührte sich.
Wie ärgerlich, dass er sie plötzlich so sexy fand! Das durchkreuzte seine Pläne für den Abend. Eine junge Frau, halb so alt wie sie, machte sich gerade in Erwartung seines Kommens schön und zupfte sich die Augenbrauen. Außerdem dämpfte es seinen Zorn; er fühlte sich ungeschützt, unbewaffnet. Noch ärgerlicher jedoch war ihre Gelassenheit.
»Nun?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, sodass ihre Brüste darauf ruhten. Wollte sie ihn verrückt machen?
»Ich wollte wissen … die Sache ist die …« Jetzt hatte er den weiten Weg auf sich genommen, und plötzlich fiel ihm nichts ein. Auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein
Weitere Kostenlose Bücher