Der Fluch der Halblinge
Blaufrost und Gru Einzahn, die »den Weg säuberten«, wie sie sich auszudrücken beliebten. Ein paar Strauchdiebe und Wegelagerer gab es anscheinend immer.
Die Landschaft wurde zusehends rauer, Felsen türmten sich auf; auf uralten Gerölllawinen waren in jungen Blättern stehende, raschelnde Wälder gewachsen. Vielerlei Bäche mäanderten durch die urwüchsige Landschaft, von moosbewachsenen Felshängen stürzten sich kleine Wasserfälle. Es wurde mit jedem Tag milder, und auf dem Boden breitete sich ein Teppich aus weißen, blauen und gelben Blüten aus. Tagsüber schien die meiste Zeit die Sonne, nachts regnete es ab und zu, und sie mussten unter Felsüberhängen Deckung suchen.
Einmal befürchteten sie, die Pferde nicht weiter mitnehmen zu können, doch die Huftiere kämpften sich tapfer über die felsigen Hindernisse hinweg und weigerten sich zurückzubleiben.
Schließlich wurde das Gelände etwas weiter und besser begehbar; allerdings näherten sie sich damit auch einem Sumpfgebiet. Die Elben fanden jedoch einen Weg, der auf guter Distanz daran vorbeiführte. Dann ging es über eine Hügelgruppe, und ab hier kannten sich auch Tuagh und Valnir aus. Vor ihnen lagen bereits die höchsten Berge, der Carradu erhob sich rechts am Rand, und davor war von hier oben aus schon die weite Senke zu erkennen, mit einem malerisch eingebetteten blauen See.
Fionn erfreute sich an dem Anblick dieser prächtigen Landschaft voller Wälder, Schiefer, Hochmoore, kahler und bemooster Felsen, den Wasserfällen und den lieblichen Senken. Das Gebiet war unüberschaubar groß. Wie seine Begleiter erzählt hatten, lebten hier viele Zwerge und Elben und Trolle und Oger und ja, auch Menschen, doch er entdeckte keine einzige Siedlung, kein Anzeichen von Zivilisation. Alles war gut versteckt und zeigte sich nicht auf den ersten Blick.
Du Bhinn teilte sich in vier Gebirgszüge auf: die Schwarzen Berge des Westens und des Ostens, der Große Wald sowie das »Leuchtfeuer«. Neben großen Ziegen mit mächtigen Schrauben- und Widderhörnern lebten hier auch elegante kleine Hirsche und Wildpferde, Allsvartur nicht unähnlich. Wölfe und Bergpanther waren die Großjäger, und dann gab es noch Bären, denen alles schmeckte. Die Luft gehörte den Adlern und vielen kleineren Greifen; Fionn beobachtete sie oft und bewunderte sie für ihre Flugkünste.
Abgesehen von Sìthbailes Oberhoheit gab es hier keinen König; das Gebirge gehörte allen Völkern gleichermaßen. Man arrangierte sich und ging sich bevorzugt aus dem Weg.
Nun kamen sie schnell voran. Fionn fragte sich, wie die Elben das machten, so flink und ausdauernd zu sein, aber stets am Abend trafen sie sich wieder. Auch der Troll und der Oger hielten die Treue.
Schließlich gelangten sie an den See in der Senke, über die der Carradu aufragte – ein völlig unspektakulärer, regelrecht hässlicher Berg. Er besaß nahezu kahle, zumeist sanft steigende Hänge voller Geröll, aus denen immer wieder steile Felszacken mit Höhlenlöchern herausragten. Hier wuchsen nur noch Niederpflanzen, die sich an die Felsen krallten, aus Ritzen hervorkrochen und verschämt zarte Blüten austrieben. Der Frühling schaffte es, dem Berg ein wenigstens einigermaßen passables Kleid anzulegen, aber sobald die Blüte vergangen wäre, würde er trostlos und verlassen daliegen, ein Kümmerling inmitten der üppigen Pracht und der mächtigen schwarzen Schieferberge um sich herum. Das Einzige, was er für sich beanspruchen konnte, war seine Höhe, denn sein Gipfel ragte fast so weit auf, wie der des höchsten Berges. Bei gutem Schritt dauerte ein Anstieg vom Fuß bis zum Gipfel zwischen zwei und drei Stunden, wusste Tuagh zu berichten.
Der aus dem Nordreich stammende Morcant zeigte einen mitleidigen Ausdruck. »Und das nennt ihr Berge . Kommt zu uns, da habt ihr richtige Berge!«
»Erstens fällt dort oben in einem strengen Winter Schnee«, verteidigte Valnir ihre Heimat, »und zweitens braucht man bei euch dann vielleicht zwei Stunden länger, um auf den Gipfel zu kommen, aber das war es auch schon!«
»Es kommt nicht allein auf die Höhe an«, sagte Tuagh ernst. »Diese hier reicht völlig aus, um einen zu töten.«
Die Senke wurde gerade mit einem zarten Grün und einem wahren vielfarbigen Blütenmeer überzogen, durchsetzt von Birken und Schwarzerlen und Beerenbüschen.
Rings um den See standen große Gruppen von Obstbäumen, deren Blüten gerade aufbrachen – Apfel, Kirsche, Birne und Pflaumen. Der Wind
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