Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
kilometerweit von Trinidad entfernt. Die Strecke ist mindestens so weit wie von London nach Glasgow und wieder zurück.«
Jana zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, wo London und Glasgow lagen. Es war ihr auch egal. Sie musste nach Barinas, koste es, was es wolle.
»Und Ihr?«, fragte sie. »Wohin seid Ihr unterwegs?«
Ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit: »Barinas.«
»Oh, was für ein wundervoller Zufall«, rief Jana und klatschte vor Freude in die Hände. Dabei fiel eine der Verbandrollen zu Boden, und sie bückte sich danach. Als sie sich wieder aufsetzte, schaute sie in ein besorgtes und völlig nüchternes Gesicht.
»Was genau stellt Ihr Euch vor? Wie soll ich Euch hier wegbringen?« Er blickte an sich herunter und griff in seine Jackentaschen. »Ich fürchte, da passt Ihr nicht hinein.« Trotz seines Spotts keimte Hoffnung in Jana auf. Sie musste ihn überzeugen.
»Ich werde Eure Hilfe bezahlen«, versprach sie und fügte rasch hinzu: »Nicht sofort, aber sobald ich meinen Verlobten gefunden habe.«
»Hat der denn die Taschen voller Gold?« Der Mann grinste immer noch.
In dem Moment betrat sein Begleiter den Schankraum erneut.
»Darf ich vorstellen«, Walton machte eine Verbeugung in Richtung des kleinen Mannes und sagte: »Tom Reasley, der ordentlichste und ehrlichste Mann der Welt und ein treuer Diener.«
»Tom, die junge Dame bittet uns, sie zu befreien, und verspricht uns eine hohe Belohnung, sollte sie ihren Verlobten wiederfinden, der aber höchstwahrscheinlich beim Überfall der Piraten ums Leben gekommen ist. Was hältst du von der Idee?«
Lag es am Alkohol? Jana konnte nicht sagen, ob der Mann sich über sie lustig machte oder ihr helfen wollte.
Toms Blick fiel auf die leere Flasche auf dem Tisch, und er fragte Jana ebenfalls auf Deutsch: »Hat er noch eine ganze Flasche getrunken?«
Jana schüttelte den Kopf: »Ich habe sie ihm verweigert. Er hatte bereits genug.«
Ein zufriedenes Lächeln machte sich auf Toms Gesicht breit.
»Wie habt Ihr das angestellt?«
»Ich habe ihm einfach keine neue Flasche gebracht«, antwortete Jana.
»Und er hat Euch nicht dazu überredet?«
Jana schüttelte den Kopf.
»Ich denke, es wäre ein Gewinn, wenn Ihr mit uns reisen würdet. Wohin wollt Ihr?«, fragte Tom.
»Barinas«, sagte Jana.
»Ich nehme an, Master Walton hat Euch bereits gesagt, dass wir auch dorthin reisen.«
Jana spürte, dass beide Männer ihr helfen wollten.
»Ich verspreche, dass ich Euch bezahle, sobald ich dazu in der Lage bin«, sagte sie rasch.
Aber Geld schien den kleinen Mann mit dem Koboldgesicht nicht zu interessieren.
»Es kann Gott nicht gefallen, dass eine junge Frau von einer Handvoll Piraten gefangen gehalten wird, und was kann es Erbaulicheres geben, als Gutes zu tun.«
»Aber wie sollen wir das anstellen?«, fragte Richard. »Morgan und seine Männer werden uns die Haut bei lebendigem Leib abziehen und uns über dem Feuer rösten. Es gibt sicher angenehmere Arten, das eigene Leben zu beenden.«
»Seit wann fürchtet Ihr den Tod?«
Richard zuckte mit den Schultern.
»Wenn du unbedingt grausam sterben willst, mir soll es recht sein, ich bin dabei. Streng deinen katholischen, irischen Kopf an, vielleicht fällt dir ja was ein«, forderte er.
»Genau das habe ich vor«, sagte Tom.
Richard stand auf und schob den Stuhl krachend zurück: »Ich lege mich in der Zwischenzeit in die Hängematte und schlafe meinen Rausch aus. Wenn ihr eine Lösung gefunden habt, lasst es mich wissen. Aber weckt mich nur, wenn ihr einen guten Plan habt. Ich will mein Mittagsschläfchen genießen. Vielleicht ist es mein letztes.«
Mit leicht schwankenden Schritten verließ er die Taverne.
Jana sah ihm sprachlos nach. Sie konnte ihr Glück nicht fassen. Beide Hände zitterten, und sie ließ erneut die Verbandrollen fallen, bald waren sie so schmutzig, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren.
»Vielen Dank!«, sagte Jana an Tom gewandt.
»Dankt mir erst, wenn ich einen Plan für Eure Flucht ausgearbeitet habe.«
Aber Jana war zuversichtlich, dass dem kleinen Mann etwas einfallen würde. Jeder waghalsige Fluchtplan war besser, als hier zu bleiben.
Trinidad,
Dezember 1618
Im Lager der Piraten war die Aufregung groß. Nach wochenlangem Warten hatten sie endlich wieder ein kleines Handelsschiff überfallen. Die Beute war überraschend ergiebig gewesen. Der spanische Kaufmann hatte eine ganze Truhe voll Piaster an Bord gehabt, Säcke voller Gewürze und
Weitere Kostenlose Bücher