Der Fluch des Verächters - Covenant 01
wichtig. Leute wie Trell und Lena waren dazu bereit, ihn genauso ernst zu nehmen, wie es ihm paßte. Er brauchte nur weiterhin zu handeln, dem Weg nach Schwelgenstein zu folgen, den ihm sein Traum auferlegte – was immer Schwelgenstein auch sein mochte. Diese Aussicht machte ihn zeitweilig benommen. Unterm Eindruck des Augenblicks entschied er, daß er künftig seine eigene Bedeutung voll nutzen wollte, sie auskosten, solange sie anhielt.
Um den Ansturm neuer Gefühle zu verbergen, sagte er Lena, er würde sich gerne waschen. Sie geleitete ihn hinter einen Vorhang in einen anderen Raum, wo aus einem Schnabel an der Wand unablässig Wasser floß. Mit einer steinernen Rinne ließ sich das Wasser entweder in ein Waschbecken oder eine große Wanne lenken, ebenfalls beides aus Stein. Lena zeigte ihm ein Behältnis mit feinem Sand, der den Zweck von Seife erfüllen sollte, und ließ ihn allein. Das Wasser war kalt, aber er tauchte seine Hände und den Kopf mit einer Aufwallung hinein, die sich fast Begeisterung nennen ließ. Als er fertig war, sah er sich nach einem Handtuch um, fand aber keines.
Versuchsweise hielt er eine Hand über das Leuchtgefaß, das den Raum erhellte. Das warme, gelbe Licht der darin enthaltenen Glutsteine trocknete seine Finger buchstäblich im Handumdrehen, also beugte er sich darüber und rieb sich das Wasser aus dem Gesicht und vom Hals, und schon kurze Zeit später waren sogar seine Haare trocken. Gewohnheitsmäßig erledigte er seine VBG und untersuchte bei dieser Gelegenheit die inzwischen nahezu unsichtbaren Narben an den Stellen, wo er sich die Hände aufgerissen hatte. Dann schob er den Vorhang zur Seite und betrat wieder den Mittelraum. Er stellte fest, daß Lena nicht länger allein war; eine zweite Frau hatte sich ihr zugesellt.
»Er sagt, daß er ganz und gar nichts von uns wisse«, hörte er Lena gerade erzählen, als er aus dem Nebenzimmer kam. Da blickte die andere Frau ihn an, und er erriet sofort, daß sie Atiaran war, Lenas Mutter. Auch sie hatte an den Schultern ihres langen braunen Gewandes das Blumenmuster; anscheinend handelte es sich dabei um eine Art von Zeichen, das man mit einem Familienwappen vergleichen konnte. Aber er hätte dieses Hinweises nicht bedurft; die Vertrautheit, mit der die ältere Frau ihre Hand auf Lenas Schulter ruhen ließ, und die Ähnlichkeit der Körperhaltung waren Beweis genug für die enge Verwandtschaft der beiden Frauen. Doch während Lena taufrisch war und von schlankem Wuchs, voller ungebrochener Springlebendigkeit, wirkte Atiaran dagegen, als sei sie eine vielschichtige Person, voll von Widersprüchen. An ihrem weichen Äußeren und ihrer rundlichen Gestalt trug sie so mühsam, als stünden sie im unverträglichen Gegensatz zur verhärteten Menge an Erfahrungen in ihrem Innern, als lebe sie mit ihrem Körper auf der Grundlage eines alten, langwierig ausgehandelten Waffenstillstands. Und ihr Gesicht zeigte die Spuren des Ringens darum; ihre Stirn wirkte vorzeitig in Falten gelegt, und ihre tiefen Augen schienen ihren Blick nach innen gerichtet zu haben, auf ein langweilig gewordenes Schlachtfeld der Zweifel und widerwilligen Zugeständnisse. Als er sie über den steinernen Tisch hinweg musterte, erhielt Covenant den zwiefachen Eindruck von düsterer Besorgnis – das Resultat dessen, daß diese Frau mehr wußte und auch mehr fürchtete, als es anderen Menschen gegeben war – und des Fehlens einer verborgenen Schönheit, die ihrem Gesicht einen angenehmeren Ausdruck verliehen hätte, wäre sie auch bloß dazu imstande gewesen, sich zu einem Lächeln durchzuringen.
Nach kurzem Zögern nahm sich die Frau ein Herz und hob Covenant eine Hand zum Gruß entgegen, wie er es schon von Trell gesehen hatte. »Heil dir, Gast unseres Hauses, sei willkommen. Ich bin Atiaran, Trells Gattin. Ich habe mit Trell gesprochen und auch mit Lena, meiner Tochter – du brauchst dich mir nicht vorzustellen, Thomas Covenant. Mögest du dich wohl fühlen unter unserem Dach.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Covenant, indem er sich auf seine Manieren und seinen zuvor gefaßten Entschluß besann. Atiaran verneigte sich ein wenig. »Es ehrt den Geber, nimmt man von ihm an, was er bietet. Und Höflichkeit ist überall gerne gesehen.« Danach zögerte sie erneut, anscheinend darüber im unklaren, wie sie weiter verfahren sollte. Covenant beobachtete in ihren Augen die Wiederkehr alter Konflikte; er befand, daß von ihrem Blick ein außergewöhnlicher Einfluß
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