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Der Fluch von Melaten

Der Fluch von Melaten

Titel: Der Fluch von Melaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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des Wegs. Mächtige Steine, fast schon Mauern standen auf dem Gelände. Aber ich sah auch Grabstätten, um die man sich nicht mehr kümmerte, weil die Familien wohl ausgestorben waren. So gammelten diese Gräber vor sich hin. Die Steine wurden brüchig. Moos überzog so manche Figur, und auch die eingravierten Namen in den Steinen waren nicht mehr zu lesen.
    Ich beobachtete Justus Schmitz von der Seite her. Er kämpfte mit seinen Problemen. Er konnte nicht normal gehen. Die Unruhe trieb ihn voran, hielt ihn allerdings auch zurück, und ich erlebte ihn ständig in einem Kampf zwischen weitergehen und anhalten.
    »Wir kommen näher«, flüsterte er.
    »Gut.«
    »Ha, für Sie.«
    »Was spüren Sie, Justus?«
    »Er zog den Kopf ein. »Die Stimme ist da. Sie treibt durch meinen Kopf. Das Flüstern höre ich, aber ich kann nicht verstehen, was man mir sagen will.«
    »Überhaupt nichts?«
    »Doch, doch«, gab er zu. »Ich kann etwas verstehen. Manchmal höre ich das Wort komm .Ja, komm. Ich soll näher an die Stelle herankommen, an der man auf mich wartet, aber ich weiß nicht genau, wo das ist. Ich muss mich führen lassen.« Er deutete nach vom. »Weiter hinten. Dort, wo der Weg zu Ende ist.«
    »Dann lassen Sie uns gehen.«
    Justus Schmitz sagte nichts mehr. Er ging einfach weiter, und er wirkte auch jetzt wie ein geschlagener Mann, der den Mut zum Leben verloren hat.
    Es ging auf den Abend zu. Allmählich kehrten auch die Menschen zurück, die die Gräber ihrer Angehörigen besucht hatten. Es kamen uns nur Leute entgegen, überholt wurden wir nicht.
    Justus Schmitz fiel den anderen auf. Wer uns entgegenkam, warf ihm schräge Blicke zu, denn so wie er verhielt sich sonst niemand. Er ging geduckt, nur langsam, und setzte seine Schritte vorsichtig. Hinzu kamen sein gestresstes Aussehen und das gerötete Gesicht.
    Für die Gräber an den Seiten der Mittelachse hatte ich kaum einen Blick. Und wenn, dann achtete ich nicht auf Einzelheiten, denn ich suchte die Umgebung ab, und mir fielen auch die Kronen der hohen Bäume auf, die wie Dächer die Grabstellen überdeckten.
    Es war nicht mehr nur warm, sondern auch schwül und feucht unter diesen grünen Dächern. Sobald die Sonne verschwunden war und damit auch die Trockenheit, würden sich die Nebelschwaden bilden und wie Leichentücher über den Friedhof streichen.
    Schon jetzt war es an vielen Stellen schattig, denn die Sonne verabschiedete sich in Richtung Westen. Sie war schon ziemlich weit weggesackt und bekam immer mehr die Farbe einer Blutorange, deren Rundung zwischen den Bäumen hindurchschimmerte und ihre Umgebung ebenfalls in eine blutige Farbe tauchte.
    Ich passte mich dem Tempo meines Begleiters an, dessen Füße über den Boden schlurften. Er sagte jetzt nichts mehr. Er hatte den Kopf nach vorn geschoben wie ein witterndes Tier. Seine Augen bewegten sich nicht, und sie schienen fast aus den Höhlen treten zu wollen. Ich hörte ihn heftig atmen, auch aufstöhnen, aber ich störte ihn nicht. Er ging weiter, wie ein Mann, der an einem Band hing und sich davon nicht lösen konnte.
    So erreichten wir die große Kreuzung, an der wir für einen Moment stehen blieben, weil sich Justus orientieren wollte. Es wurde für meinen Geschmack sehr still. Die Luft drückte, erste Schatten lagen zwischen den Büschen, doch über den Kronen der Bäume lag noch eine fahler werdende Helligkeit.
    Ich sah auch das Grab der alten Zigeunerin, das durch seinen hellen Klinker auffiel und wie ein Haus aussah. Auch hier segelten Blätter durch die Luft, als wollten sie davon berichten, dass das Sterben der Natur eingesetzt hatte.
    Vor meiner Brust hing das Kreuz, aber eine Reaktion hatte ich bisher nicht erlebt. Kein Wärmestoß hatte sich auf meiner Haut ausgebreitet. Es war nach wie vor alles normal, nur mein Begleiter verhielt sich so ungewöhnlich.
    Aus einem Seitenweg kamen ein Mann und eine Frau. Er zog einen Einkaufswagen hinter sich her. Die Taschen waren mit Gartenwerkzeugen gepackt. Zwei Augenpaare schauten uns skeptisch an, aber einen Kommentar erhielten wir nicht. Die beiden setzten ihren Weg nur mit schnelleren Schritten fort und eilten dem Ausgang entgegen.
    Ich hatte Justus lange genug in Ruhe gelassen. Es war der Zeitpunkt gekommen, dass er sich entschied, und deshalb fragte ich ihn, wohin wir jetzt gehen mussten.
    »Ja, ähm... nach vorn.«
    »Weiter geradeaus?«
    »Nein, nein, nach links.«
    »Dann kommen Sie!«
    Er zog wieder seine Schultern hoch und sah aus, als wollte er

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