Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Köchin nicht zu überzeugen. »Ich weiß nicht, was Sie wieder in Ihrem Kopf ausbrüten, Master John. Ich würde vorschlagen, dass Sie endlich an die Arbeit gehen. Hat Master Paul Sie nicht gebeten, ihn zu vertreten?«
»Das hat er, aber ich habe ihm nichts versprochen.«
Die Kinder lachten, aber Fatima funkelte ihn nur an.
»Später«, sagte er rasch. »Im Moment warten wir jedoch alle auf Miss Ryan …«
»Lassen Sie Miss Charmaine in Ruhe. Sie hat noch nicht einmal gegessen, und schon setzen Sie ihr zu!«
»Ich setze ihr zu? Ich? Das war nicht meine Absicht. Sobald sie uns endlich verrät, wie sie heute machen möchte, kann sie in Ruhe essen.«
»Eine Schaukel«, platzte Charmaine heraus und zog alle Blicke auf sich.
John war völlig verblüfft. »Wie bitte?«
»Ich möchte gern eine Schaukel bauen.«
»Eine Schaukel?«
»Genau. Eine Schaukel. S-C-H-A-U-K-E-L«, wiederholte sie zum dritten Mal und lächelte, als sie sich John hoch oben in den alten Eichen vorstellte, damit sie endlich vor seinen Streichen sicher war.
»Im Buchstabieren sind Sie gut, aber welchen Spaß soll uns eine Schaukel …«
»Heißt das, dass Sie sie nicht machen wollen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß nur nicht …«
»Ob Sie es können?«
»Auch das habe ich nicht gesagt.« Langsam verging ihm die Lust. Sie beherrschte das Spiel einfach zu gut.
»Was dann?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und erntete ein beifälliges Schnalzen, als die Köchin in der Küche verschwand.
»Wenn Sie mich hätten ausreden lassen, hätte ich gefragt, wo wir sie aufhängen sollen?«
»An einer der Eichen vor dem Haus. Das ist ein guter Platz … Eine wunderbare Art, den Tag zu verbringen.«
John schnaubte nur. »Ich halte das eher …«
»Im Grunde ist Ihre Meinung gleichgültig. Sie ha ben gesagt, dass dieser Tag mir gehört und wir ihn nach meinen Wünschen verbringen. Das stimmt doch, oder nicht?«
»Ja, genau.«
»In diesem Fall würde ich schon einmal das Material zusammensuchen: ein möglichst glattes Brett und ein Tau von beträchtlicher Länge. Sobald ich gegessen habe, komme ich mit den Kindern nach draußen.«
Yvette wurde ungeduldig. »Ich bin schon fertig. Ich will Johnny begleiten.«
»Ich auch!«, rief Pierre. »Ich will auch bauen.«
Charmaine lachte. »Sehen Sie, den Kindern gefällt die Idee!«
»Also gut«, entgegnete John charmant, »dann bauen wir eben eine Schaukel.«
Er zwinkerte dem Jungen zu, als ob er das schon immer hätte tun wollen, und nahm die Kinder mit nach draußen.
Schon eine Stunde später hing die Schaukel an einer der Eichen. Dank der Hilfe einiger Stalljungen war die Sache weniger schwierig gewesen, als Charmaine erwartet hatte. Sie saß auf der Veranda vor dem Haus und sah zu, wie die Kinder eines nach dem anderen an der Reihe waren. Yvette hatte schnell heraus, wie man das Brett in schwindelnde Höhen trieb, und quietschte jedes Mal laut, wenn sie der Erde entgegenstürzte. Als Nächste war Jeannette an der Reihe und zum Schluss ihr kleiner Bruder. Ihn musste man noch sacht anschieben, was Jeannette mit Wonne übernahm, da Yvette sich ein Stück weit entfernt ins Gras geworfen hatte.
»Wollen Sie Ihre Schaukel nicht auch ausprobieren, my charm ?«, fragte John, als er die Stufen zur Veranda emporstieg und sich zu ihr setzte.
»Später, wenn die Kinder genug davon haben.«
Er sah sie an, und sein Blick verweilte so lange auf ihren Lippen, dass sie innerlich erschauerte.
»Ich danke Ihnen, dass Sie mir den Wunsch erfüllt haben«, sagte sie, um ihn abzulenken, und war erleichtert, als er den Blick hob und sie ansah. »Ich möchte gleich noch einen weiteren anfügen.«
»Als da wäre?«
»Dass Sie sich in Zukunft mit Beweisen Ihrer Zuneigung zurückhalten.«
»Beweise meiner Zuneigung? Falls Sie auf den leidenschaftlichen Kuss von heute Morgen anspielen …«
»Genau das meine ich.«
»Ein Ausbruch von Leidenschaft war das wahrlich nicht, my charm , sondern nur ein ganz unschuldiger Kuss.«
»Mag sein, dass Sie das so sehen«, beharrte sie, »aber was wissen Kinder schon von Unschuld und Leidenschaft? Für sie ist das doch dasselbe.«
»Und für Sie, Charmaine?«
Sie gab das Gefecht verloren. Als sie fühlte, wie ihr die Wärme in die Wangen stieg, wandte sie den Blick ab.
»Also gut, my charm . Um unsere gemeinsame Wo che nicht zu verderben, müssen Sie keine Überfälle meinerseits mehr fürchten – ganz gleich, ob leidenschaftlich oder harmlos.«
»Danke«,
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